TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Die Trümmer der Brexit-Politik“, von Floo Weißmann

Ausgabe vom 14. Dezember 2018

Innsbruck (OTS) Die britische Premierministerin bleibt vorerst im Amt und spielt auf Zeit. Sie klammert sich an die Hoffnung, dass ihre Gegner einlenken, wenn ein ungeordneter Austritt aus der Europäischen Union wahrscheinlicher wird.

Theresa May mag das Misstrauensvotum in ihrer eigenen Fraktion überstanden haben. Doch die 117 Gegenstimmen werden die Premierministerin voraussichtlich politisch weiter schwächen. Eine vernünftige Lösung für den Austritt Großbritanniens aus der EU dürfte noch schwieriger werden.
May steht vor den Trümmern ihrer bisherigen Brexit-Politik. Stets in Gefahr einer Rebellion hat sie es verabsäumt, von Anfang an einen klaren Kurs vorzugeben und die eigene Fraktion und das Land auf schmerzhafte Kompromisse ein­zu­schwören. Jetzt versucht sie, einen Austrittsvertrag durchzuboxen, der auf absehbare Zeit keine Aussicht auf eine parlamentarische Mehrheit hat. Vielen Akteuren in London scheint es ohnehin mehr um innenpolitische Machtspiele zu gehen als um die Zukunft des Landes.
Vorerst gibt es keine Anzeichen dafür, dass sich an der Gemengelage in Großbritannien etwas ändert. Aber auch auf EU-Seite wird es kaum Bewegung geben. Zwar will man der Premierministerin nach Möglichkeit helfen, ihren Deal zuhause zu verkaufen, mutmaßlich mit rhetorischen Kniffen. Aber substanzielle Zugeständnisse sind von den EU-27 nicht zu erwarten.
Für die Kontinentaleuropäer ging es nach dem Schock des Brexit-Referendums vor allem darum, die Einheit zu wahren und mögliche Nachahmer abzuschrecken. Das ist bisher erstaunlich gut gelungen – nicht zuletzt durch das Wirken von Chefverhandler Michel Barnier, der strategisch und kommunikativ offenkundig alles richtig gemacht hat, was seine britischen Gegenüber falsch gemacht haben. Die ­EU-27 sind nun gut beraten, auch im Brexit-Finale Ruhe und Disziplin zu bewahren.
In London zeichnet sich indessen ein Spiel auf Zeit ab. Bis auf eine Minderheit von Brexit-Ideologen scheint niemand einen ungeordneten Austritt aus der EU in Kauf nehmen zu wollen. Was passiert also, wenn das Desaster näherrückt? Welche Manöver oder Kompromisse werden dann möglich? May spekuliert offenbar darauf, dass am Ende doch eine Mehrheit ihren Deal für das geringste Übel hält. Ebenso gut könnte es zu Neuwahlen oder sogar zum Austritt vom Austritt kommen.
Fest steht vorerst nur, dass das Brexit-Drama in Großbritannien tiefe gesellschaftliche und politische Gräben aufgerissen hat. Was auch immer am 29. März passiert: Ein guter Teil des Landes bleibt frustriert und empört zurück. Das Ringen um die Identität und die Zukunft des Vereinigten Königreichs steht mit dem Brexit womöglich erst am Beginn.

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