TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Dienstag, 4. Juli 2017, von Max Strozzi: „Baustelle Lohndumping“

Innsbruck (OTS) - Der Mix aus Subunternehmerketten, Steuerschlupflöchern, Einkommensgefälle und unterschiedlichen Gesetzen fördert Scheinfirmen und Lohndumping: Im Kampf gegen Sozialbetrug müssen noch viele Fundamente errichtet werden.

Ein grenzenloses Europa hat seine Schattenseiten. Steuervermeidung über Tochterfirmen in Luxemburg oder Malta ist beispielsweise eine solche, Lohndumping und Sozialbetrug sind es ebenfalls. Beides hängt zusammen, wie der jüngst bekannt gewordene Fall aus der Baubranche aufzeigt. Eine Scheinfirma mit Briefkastenadresse in Wien Ottakring hatte rund 100 Mitarbeiter zwar bei der Sozialversicherung angemeldet, zahlte aber nie Sozialversicherungsbeiträge oder Lohnsteuer, häufig nicht einmal die Löhne. Mehrere Unternehmen nutzten diese Scheinfirma, um Steuern, Sozialabgaben und Löhne zu sparen. Dass die AK jetzt ein Unternehmen klagt, das die Scheinfirma beauftragt hatte, zeigt bereits ein Problem auf. Die Scheinfirmen bzw. deren Hintermänner direkt zu belangen gestaltet sich oft als unmöglich.
Einkommensgefälle, Steuerunterschiede und unterschiedliche Gesetzeslagen innerhalb Europas öffnen Dumping-Konstruktionen sämtliche Türen. Beim Durchschnittseinkommen beispielsweise zählen Rumänien, Bulgarien oder Ungarn zu Europas Schlusslichtern. Verlockend, Arbeit dorthin auszulagern oder sich vorübergehend Arbeiter ins Land zu holen. Zwar müssen Rumänen, Bulgaren und Ungarn – um bei dem Beispiel zu bleiben –, wenn sie auf Österreichs Baustellen arbeiten, zum hiesigen Kollektivvertrag arbeiten. Doch zum einen zweifeln Arbeitnehmervertreter, ob den Arbeitern unterm Strich tatsächlich so viel übrig bleibt. Zum anderen sind Sozialversicherungsbeiträge im Ausland fällig – und zwar auf Basis der dortigen Mini-Löhne.
Mit Gesetzen (Lohn- und Sozialdumpinggesetz, Sozialbetrugsgesetz) versucht Österreich, das Problem zu entschärfen. Doch Lohndumping zieht sich über viele Rechtsmaterien: vom Vergabegesetz bis zur EU-Entsenderichtlinie. Das macht die Lösung des Problems nicht gerade einfacher.
Dass munter gedumpt wird, zeigen die Kontrollen der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK). Die Zahl der Fälle stieg heuer massiv an, fast ausschließlich flogen Baufirmen mit Sitz im Ausland auf. Das stellt einheimischen Bauunternehmern noch lange keinen Persilschein aus. Schließlich sind häufig sie es, die Aufträge an Dumping-Firmen weitergeben – oft über eine lange und schwer nachvollziehbare Kette an Subunternehmen. Solche Subunternehmerketten zu beschränken und am Bau schärfer zu kontrollieren, müsste die österreichische Konsequenz sein. Steuerschlupflöcher zu schließen und Einkommensgefälle zu begradigen, die europäische. Im Kampf gegen Lohndumping fehlen noch die Fundamente.

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