TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Donnerstag, 13. April 2017, von Max Ischia: „Terror, Menschlichkeit und Heuchelei“

Innsbruck (OTS) - Keine zwei Stunden nach dem mutmaßlich islamistischen Anschlag auf den Vereinsbus von Borussia Dortmund stand der neue Termin des abgesagten Fußball-Champions-League-Viertelfinales fest – und alle waren dabei.

Die Klubhymne „You’ll never walk alone“ schallte gestern, 18.40 Uhr, durch das vollbesetzte Dortmunder Stadionrund, und wohl nie standen sich Fußball-Fans zweier Viertelfinalkontrahenten näher als an diesem historischen Champions-League-Abend. Ein symbolträchtiges Miteinander, welches erst ein mutmaßlich islamistischer Anschlag auf den Dortmunder Mannschaftsbus am Vorabend in dieser Form ausgelöst hatte. Dazwischen lagen eine für die geschockten Spieler mehr oder weniger schlaflose Nacht und eine für die besorgten Fans beispiellose Solidaritätsaktion. So boten Dortmund-Anhänger auf Twitter quartierlosen Monegassen und Franzosen eine kostenlose Bleibe an. Frei nach dem Motto: Was der Terror zu trennen versucht, vermag der Fußball zu einen. Alles in allem nachdrückliche Botschaften an alle Unruhestifter dieses mehr und mehr aus den Fugen geratenen Planeten. Dass die ohnedies hohen Sicherheitsstandards in Fußball-Europa im Allgemeinen und -Deutschland im Speziellen noch höher werden, steht außer Frage. Dass die gestrige Partie keine 24 Stunden nach dem wahrscheinlichen Terrorakt überhaupt stattfand, war hingegen Gegenstand von medialen Dauerdiskussionen. Zumal sich die ganze Tragweite des Explosions-Attentats erst im Laufe des gestrigen Tages herausstellte – so steckte ein Metallstift aus einem der drei Sprengsätze wie ein mahnender Zeuge in der Kopfstütze eines Bussitzes. Die Staatsanwaltschaft ermittelt jedenfalls wegen Verdachts auf ein Tötungsdelikt.
Auch wenn die Klub-Spitze und Trainer Thomas Tuchel den Spielern einen Match-Antritt freistellten, war die Dortmunder Botschaft eine glasklare: kein Einknicken. Nicht vor dem Terror. Man spiele, so BVB-Boss Hans-Joachim Watzke, nicht nur für sich. Man spiele für alle. Große Worte. Noch größer wäre gewesen, nicht zu spielen. Nicht 24 Stunden nach einem vermeintlichen Mordanschlag. Es wäre kein Kniefall vor dem Terror gewesen, sondern eine Geste für die Menschlichkeit. Denn keiner kann glaubhaft versichern, dass jemand eine derartige Extremsituation binnen so kurzer Zeit verarbeitet. Doch eine längerfristige Verschiebung wurde ohnedies nie in Betracht gezogen. Keine zwei Stunden nach dem Angriff war aus der UEFA-Zentrale in Nyon der neue Spieltermin mit Mittwoch, 18.45 Uhr, avisiert. Alles dem dichten Terminkalender geschuldet. Es lebe die Geschäftstüchtigkeit – und die Heuchelei.

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