TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Donnerstag, 23. Juli 2020, von Michael Sprenger: „Wo bleibt die Entschuldigung?“

Innsbruck (OTS) Die Corona-Ausgangsbeschränkungen waren gesetzeswidrig. Anerkannte Juristen haben längst darauf hingewiesen – und wurden lächerlich gemacht. Und was nun? Ein Plädoyer für eine andere Fehlerkultur in der Politik.

Egal, ob es sich um einen Provinzfürsten oder um den mehr oder weniger geübten Parteipolitiker handelt, um einen ambitionierten Technokraten oder einen ideologiebefreiten Machtmenschen – warum tun sich Politiker im Nachhinein so schwer, vor die Kameras zu treten und sich zu entschuldigen, wenn ihnen Fehler nachgewiesen worden sind? Es wird wohl keine monokausale Erklärung geben. Der eine Typ von Politiker wird befürchten, eine Entschuldigung werde als Schwäche ausgelegt, der andere glaubt, dass er immer alles richtig macht und gemacht habe. Nur eine Minderheit kann sich zu jener Gruppe zählen, die mit eigenen Fehlern offen umgeht. Hierzulande zählt jedenfalls Gesundheitsminis­ter Rudolf Anschober dazu. Und wie die aktuellen Umfragen belegen – es hat dem beliebtesten Politiker des Landes bislang nicht geschadet. Ganz im Gegenteil. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zu den Corona-Ausgangsbeschränkungen wird Anschober erneut eine Chance bieten, seine offene Fehlerkultur zu demonstrieren. Denn die von ihm erlassene Verordnung war rechtswidrig.
Die politisch Veranwortlichen im Lande mussten im Umgang mit dem unbekannten Virus anfangs einen außergewöhnlichen Job erledigen. Sie mussten rasch handeln. Da kann naturgemäß auch etwas schiefgehen. Dies der Landesregierung (wie im Umgang mit Ischgl) oder der Bundesregierung vorzuwerfen, ist billig. Die Unterstellung sei erlaubt: Weder Landeshauptmann Günther Platter noch Kanzler Sebastian Kurz handelten damals grob fahrlässig, sondern bemühten sich, Schaden abzuwenden. Doch es passierten eben Fehler – und bis heute wartet man auf eine angemessene Reaktion. Tirol kompensierte seine ­offensichtlichen Pannen im Umgang mit Ischgl mit besonders harten Maßnahmen und einer Politik des Strafens. Kurz wiederum hätte längst wissen müssen, dass die Ausgangsbeschränkungen seiner Regierung auf sehr dünnem Eis standen. Selbst fundierte Kritik ließ der Bundeskanzler nicht gelten. Kurz warf Juristen sogar vor, „Verwirrung stiften“ zu wollen, und unterstellte ihnen „Spitzfindigkeiten“. Jetzt bestätigten die Höchstrichter die Juristen, die zum Teil lächerlich gemacht worden waren. Die Corona-Ausgangsbeschränkung war gesetzeswidrig. Egal, um welchen Politikertyp es sich handelt: Eine Entschuldigung ist mehr als nur angebracht. Und schon Bestrafte sollten auch die Geldbußen zurückerstattet bekommen.

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