TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Freitag, 22. März 2019, von Christian Jentsch: „Europa im Würgegriff des Brexits“

Innsbruck (OTS) - Der Brexit hält Europa in Atem und verdeckt den Blick auf wichtige Zukunftsfragen. Im Finale des Austrittsdramas droht sich nicht nur London in einem Irrgarten zu verlieren, sondern auch die EU-27.

Europa ist unter Beschuss, von außen und zunehmend von innen. Im geopolitischen Ringen gerät Europa ins Schussfeld von Trumps „America First“, Chinas Expansionsdrang und Russlands neuen Großmachtambitionen. Doch das Außen bleibt derzeit ganz und gar ausge­blendet. Europa hat keine Zeit, sich mit seiner Zukunft zu beschäftigen, seine Rolle in der Welt zu finden.
Es übt sich lieber in Selbstdemontage. Und verstrickt sich in einem Drama namens Brexit, dessen die Zuseher schon längst überdrüssig geworden sind. Es gäbe viel zu tun, um das Fundament Europas wieder zu stärken, um den Kritikern, die eifrig die Totenglocken für die Union läuten, den Wind aus den Segeln zu nehmen. Stattdessen gilt die ganze Aufmerksamkeit dem Austritt oder Nicht-Austritt oder Vielleicht-Austritt Großbritanniens aus der EU. Das Brexit-Labyrinth, aus dem London schon längst keinen Ausweg mehr findet, droht nun auch für die EU zum Irrgarten zu werden. Europa steckt im Würgegriff des Brexits.
Mit dem Näherrücken des Austrittstermins wurde zuletzt die Verunsicherung immer größer. Die politisch schwer angeschlagene britische Premierministerin Theresa May hat bei der EU nach den krachenden Niederlagen für ihren Brexit-Deal im Unterhaus um einen Aufschub des Brexits bis zum 30. Juni angesucht, bevor das Ende Mai neu gewählte Europaparlament zur konstituierenden Sitzung am 2. Juli zusammenkommt. Eine Teilnahme an der Europawahl kommt für May fast drei Jahre nach dem Brexit-Votum freilich nicht in Frage. Doch die EU-Kommission hat vor „ernsthaften rechtlichen und politischen Risken“ gewarnt, sollten die Staats- und Regierungschefs der verbleibenden EU-27 den Aufschub des Brexits bis Ende Juni billigen. Die Nicht-Teilnahme an den Europawahlen bei einer Verschiebung des Brexits über den Urnengang vom 23. bis 26. Mai hinaus öffnet laut EU-Kommission das Tor für politische und rechtliche Instabilität. Und die Warnungen fanden Gehör. Der Aufschub soll nur bis zum 22. Mai – also einen Tag vor den EU-Wahlen – gewährt werden. Doch dann gibt es da ja noch ein Problem, das wieder alles über den Haufen werfen würde. Nächste Woche soll das britische Unterhaus nun endlich Mays Brexit-Deal durchwinken. Jenen Deal, den es bereits zweimal mit klarer Mehrheit abgelehnt hat. Lehnt das Parlament das Austrittsabkommen erneut ab, geht gar nichts mehr. Ein Spiel mit offenen Variablen also.
May pokert bis zur letzten Minute. Und lässt Europa zittern. Doch eines ist auch klar: Die Welt dreht sich weiter, mit oder ohne Brexit. Auf Europa warten noch viele andere Herausforderungen.

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