TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Freitag, 25. Juni 2021, von Wolfgang Sablatnig: „Verbrannte Erde im U-Ausschuss“

Innsbruck, Wien (OTS) Die vom Bundespräsidenten angeordnete Exekution im Finanzministerium wird die Arbeit des U-Ausschusses nicht mehr groß beeinflussen. Für Finanzminister Blümel geht es aber um die Glaubwürdigkeit und damit sehr viel.

Der Donnerstag war zäh im Ibiza-Untersuchungsausschuss. Finanzminis­ter Gernot Blümel (ÖVP) entschlug sich oft der Antwort. Mit zunehmender Dauer wurde die Stimmung nicht besser. Eine Frage, ob er die Schwiegertochter vom Novomatic-Boss kenne, quittierte Blümel genervt: „Wird das eine Familienaufstellung?“ Es folgte eine quälende Debatte über die Zulässigkeit und die ausreichende Bestimmtheit von Fragen. Der Erkenntnisgewinn war gering. Die Schwiegertochter heißt übrigens „Kurz“. Die Namensgleichheit mit dem Bundeskanzler führte wegen eines Eintrags im Kalender von Graf bereits zu heftigen Debatten im Ausschuss.
Die Szene ist symptomatisch. Die ÖVP fühlt sich vom Ausschuss und der Welt verfolgt. Zahllose Chats waren nie für die Öffentlichkeit gedacht und haben doch beigetragen, die türkise Politik zu entzaubern.
Die ÖVP sieht sich ungerecht behandelt, weil sie überzeugt ist, dass die Chats und Handy-Nachrichten nie den Weg in die Öffentlichkeit hätten finden dürfen. Diese Frage muss ernsthaft diskutiert werden. Es hilft der ÖVP nur nichts. Die Chats sind draußen, der Schaden ist angerichtet.
Die ÖVP fühlt sich noch mehr ungerecht behandelt, weil der Ausschuss mit Ibiza begonnen hat und die FPÖ kein Thema mehr ist. Eines ergibt das andere: Die Opposition fragt, manchmal süffisant, manchmal polemisch, oft angriffig. Und die ÖVP gräbt sich immer tiefer ein. Sie antwortet mit einer Strategie der Verteidigung auf allen Ebenen, ohne Blick nach links oder rechts.
Mit dem Straflandesgericht Wien betritt jetzt ein neuer Schiedsrichter den Ring. Die Richterin ist nicht zu beneiden. Sie hat drei Wochen Zeit, um im Auftrag des Bundespräsidenten und des Verfassungsgerichtshofes eine Frage zu klären, an der sich die Abgeordneten seit Wochen abarbeiten: Kann man dem Finanzminister trauen, wenn er sagt, er habe alle Akten liefern lassen?
Die Einschaltung des Landesgerichts schaut nach einem Tiefschlag für Blümel aus. Sie bietet ihm aber auch die Chance für Entlastung, im Gerichtsjargon einen Freispruch. Es geht für den Finanzminister um viel, seine Glaubwürdigkeit nämlich.
Der Schiedsrichter wird die Arbeit des Ausschusses nicht mehr nachhaltig beeinflussen. Was auch immer das Gericht herausfindet, wird in der Nachbetrachtung aber in Erinnerung bleiben.
Fest steht zudem schon jetzt, dass der Schaden bleibt. Für die ÖVP sowieso. Aber auch für das Ansehen der Politik, die es nicht schafft, Konflikte zu regeln, ohne verbrannte Erde zu hinterlassen.

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