TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Giftzähne werden nicht gezogen“, von Anita Heubacher

Ausgabe vom 5. November 2018

Innsbruck (OTS) Österreich hat nicht nur eine Zwei-, sondern eine Viel-Klassenmedizin. Die bleibt bestehen. Der Patient muss sich indes daran gewöhnen, für seinen Sozialversicherungsbeitrag immer weniger Leistung zu bekommen.

Auch nach der Fusion der Sozialversicherungsträger von 21 auf 5 wird die Viel-Klassenmedizin in Österreich erhalten bleiben. Die Fusion dürfte sich zuallererst in den Führungsetagen der Gebietskrankenkassen, wo im Bedarfsfall Chefposten ausgetauscht werden, bemerkbar machen, der Versicherte spürt von der „Jahrhundertreform“ (Copyright: Bundesregierung) derweil noch nichts. Der Druck auf die Geldtasche, die immer öfter für ärztliche Leistungen zu öffnen ist, bleibt bestehen.
Österreich ist seit langer, langer Zeit eine Viel-Klassenmedizin. Ärzte bekommen unterschiedlich hohe Honorare, ob sie nun einen Beamten, einen Eisenbahner oder einen Angestellten behandeln. Das absurde System geht in Verlängerung. Darüber hinaus gibt es Patienten, die sich neben ihrem Sozialversicherungsbeitrag noch einen Wahlarzt oder eine Zusatzversicherung leisten. Ach ja, und dann hätten wir noch die typisch österreichische Lösung: „Mein Arzt ist ein guter Bekannter.“
Das österreichische Versicherungssys­tem hat viele Fehlentwicklungen, die, weil sie jahrelang nicht repariert wurden, jetzt so richtig schlagend werden. Kassenstellen sind immer schwieriger zu besetzen. War das zuerst eher bei Allgemeinmedizinern der Fall, sind nun auch Facharztordinationen vakant, ebenso wie Zahnarztpraxen. Ein Blick auf die Honorarnote genügt, um zu verstehen, warum immer mehr junge Mediziner Wahlärzte werden. Die Lücke zwischen Honorarsatz der Krankenkassen und den Honorarvorstellungen der Wahlärzte ist inzwischen riesig. Wir zahlen also Sozialversicherung ein, können aber die bereits bezahlte Leistung immer schlechter abrufen, weil die Anbieter stets weniger werden.
Das wird sich weiter verschärfen. Dafür sorgen gesellschaftliche Entwicklungen. Die Babyboomer gehen, so wie in allen Jobs, auch unter den Ärzten in Pension. Das sind viele, und wenige kommen nach. Die, die nachkommen, brauchen neue Arbeitszeitmodelle und wollen im Team arbeiten. Da hinken die gesetzlichen Rahmenbedingungen hinterher. Ganz zu schweigen von einer guten Zusammenarbeit zwischen Spital und niedergelassenem Bereich. Die funktioniert deshalb schleppend, weil mit Bund und Ländern zwei Finanzierungssysteme dahinterstecken.
So rennt der österreichische Patient auch in Zukunft von einem Arzt zum anderen und darf weiterhin doppelt zahlen, sofern er es sich leisten kann.

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