TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „In der falschen Auslage“, Ausgabe vom 20. August 2021 von Peter NIndler.

Innsbruck (OTS) Jetzt geraten auch Bauernhöfe ins Visier von finanzstarken Investoren. Die Interessenvertreter wollen gegensteuern, doch sie befinden sich in der Zwickmühle von tristen finanziellen Zukunftsaussichten der Bauern und landeskultureller Identität.

Der Druck auf den Tiroler Bodenmarkt ist enorm und nimmt weiter zu:
Die Zinsen sind im Keller, deshalb wird Kapital in Immobilien angelegt. Betongold ist das eine, mit Grundstücken lässt es sich allerdings ebenfalls gut verdienen. Und dann kommen noch die Bauernhöfe mit zum Teil großen Freilandflächen. Bauernland in Bauernhand, das war einmal. Zwar gibt es nach wie vor Schranken beim Erwerb, weil die Stärkung bzw. Schaffung eines lebensfähigen Bauernstandes verfassungsgesetzlich gesichert und vom Europäischen Gerichtshof „als im Allgemeininteresse gelegene Zielsetzungen“ anerkannt sind. Doch Papier ist geduldig, Investoren mit landwirtschaftlichen Betriebs- und Verpachtungskonzepten treten gehäuft als Interessenten und Käufer auf.
Anleger-Bauernhöfe kommen in Mode, allein im Vorjahr haben 44 Bürger aus anderen EU- bzw. EWR-Staaten land- und forstwirtschaftliche Grundstücke in Tirol erworben. Die Alarmsirenen schrillen, die Entwicklung widerspricht der landeskulturellen Ausrichtung. Obwohl die Verkäufer selbst Landwirte sind, die Situation wird für sie trotz öffentlicher Förderungen, regionaler Direktvermarktung und Bio-Boom Jahr für Jahr schwieriger. Eine Landwirtschaft zu stemmen und zu erhalten, bleibt ein finanzieller Kraftakt. Freilich streichelt die Europäische Union die Bergbauern, zugleich verhungern sie an ihrer ausgestreckten Hand. Am Ende steht dann oft der Verkauf. Wer kann es den Bauern unter diesen Voraussetzungen verübeln, den besten Preis zu erzielen?
Dass sich die bäuerlichen Interessenvertreter jetzt mit dem Ruf nach strengeren gesetzlichen Regelungen und der Selbstbewirtschaftungspflicht gegen eine schleichende Aushöhlung der Tiroler Agrarstruktur stemmen, ist nachvollziehbar. Über die bäuerlichen Familien hinaus geht es schließlich um die Identität des Landes, um eine nachhaltige Bewirtschaftung im Tal und auf den Almen sowie um regionale Versorgungsketten. Für den Natur-, Freizeit- und Lebensraum. Dass 50 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen bereits verpachtet werden, zeigt, dass landesweiter Handlungsbedarf besteht. Mit ihren Höfen stehen die Tiroler Bauern vielfach in der Auslage, deshalb sind ihre Anwesen begehrt. Auch als getarnte Freizeitwohnsitze. Die Investoren dirigieren dann mit dem Handy die Bewirtschaftung oder treiben mit der Verpachtung die Pachtpreise in die Höhe. Die Neueinsteigerregelung wird hinsichtlich der notwendigen bäuerlichen Qualifikationen jetzt verschärft, alles andere ist jedoch Wunschdenken. Oder bittere europäische Realität.

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