TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Kein Wille zur Aufklärung“, von Michael Sprenger

Ausgabe vom Samstag, 20. Juni 2020

Innsbruck (OTS) Von Ibiza bis Casinos-Affäre: Das alles hätte eine Chance zur Selbstreinigung der Politik bieten können. Stattdessen wird allerorten weiter hartnäckig versucht, diese zu verhindern. Eine Bananenrepublik mit rechtsstaatlichem Antlitz.

Der Ruf nach Aufklärung war laut zu hören. Verständlich! Denn nach Bekanntwerden des Videos von Ibiza herrschte eine Schockstarre im Land. Für alle war zu hören und zu sehen, wie zwei Spitzenrepräsentanten der FPÖ hinter vermeintlich schützenden Mauern einer Villa drauf und dran waren, die halbe Republik zu verscherbeln. Die Bundesregierung, die einst versprochen hatte, einen neuen Stil in die Politik zu bringen, war Geschichte. So konnten aber erst dubiose Machenschaften und Postenschacherei ausapern. Bundespräsident Alexander Van der Bellen versuchte damals mit ruhiger Hand, die Republik durch das innenpolitische Tohuwabohu zu führen. Er trachtete danach, vertrauensbildende Worte zu finden, um das verstörende Sittenbild zurechtzurücken. Sein „So sind wir nicht“ wurde gerne zitiert. Aber das Versprechen von Aufklärung hatte mehr Gewicht. Doch bis zum heutigen Tag macht sich nicht Gewissheit breit, dass alle politischen Akteure wirklich bereit sind, alle Facetten dieses Skandals auszuleuchten. Aufklärung zu verhindern, scheint vielfach das Gebot der Stunde zu sein. Und dabei ist man tatsächlich kreativ. Die Inszenierung von Heinz-Christian Strache als Opfer, das Zünden von Nebelgranaten zum Gaudium des Boulevards, politische Netzwerke im Polizeiapparat, die aktive Behinderung der Korruptionsstaatsanwaltschaft durch Weisungen und bewusste Irreführung durch eine eigens geschaffene Soko Ibiza, die Weigerungen der Behörden, angeforderte Unterlagen an den Untersuchungsausschuss auszuhändigen, Verfilzungen im Justizapparat lassen einen immer öfter das Wort von der Bananenrepublik vernehmen. Ein zu hartes Urteil!? Wenn es kein Widerspruch an sich wäre, könnte man vielleicht von einer Bananenrepublik mit rechtsstaatlichem Antlitz sprechen.
Der Ibiza-Skandal und die Affäre rund um die Casinos hätten eine Chance bieten können für eine notwendige Selbstreinigung der Politik. Bislang hat man diese nicht ergriffen – und nicht ergreifen wollen. Es wäre die Aufgabe des ÖVP-Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka in seiner Funktion als Vorsitzender des U-Ausschusses, alles zu tun, um Aufklärung zu ermöglichen. Das macht er aber nicht. Sobotka ist vielmehr damit beschäftigt, aus vielleicht nachvollziehbarer Loyalität seine Parteifreunde zu schützen. Vor einem Jahr wurde allerorten Aufklärung versprochen. Doch es fehlt der Wille hierfür.

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