TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Konfrontation statt politischer Größe“, von Christian Jentsch

Ausgabe vom 20. Oktober 2017

Innsbruck (OTS) - Im Konflikt um Katalonien sind wieder einmal die politischen Hardliner am Zug, auf beiden Seiten. Doch eine Eskalation würde nicht nur Katalonien, sondern ganz Spanien ins Tal der Tränen stürzen.

Der Konflikt um Katalonien steht knapp vor der Eskalation, mit weitreichenden Konsequenzen nicht nur für Katalonien selbst, sondern für ganz Spanien. Es ist sprichwörtlich fünf vor zwölf. Die katalanische Regionalregierung von Carles Puigdemont ließ gestern ein letztes Ultimatum der Zentralregierung in Madrid verstreichen und will sich nicht vom Kurs in Richtung Unabhängigkeit abbringen lassen. Die Antwort aus Madrid folgte postwendend: Mit einer Sondersitzung des Kabinetts will der spanische Regierungschef Mariano Rajoy, der im Konflikt stets auf eine harte Linie setzte, die formelle Machtübernahme in der abtrünnigen Region einleiten. Madrid setzt im Konflikt um die Unabhängigkeit Kataloniens auf Artikel 155 der spanischen Verfassung, die so genannte „nukleare Option“. Artikel 155 sieht den Entzug von Autonomierechten und die Unterstellung unter die Zentralverwaltung in Madrid vor, wenn sich eine der 17 autonomen Gemeinschaften Spaniens nicht an die Verfassung hält. Und die Loslösung Kataloniens vom Rest Spaniens stellt einen gravierenden Verstoß gegen die Verfassung dar. Dem Schritt muss noch der Senat zustimmen, dies gilt bei den dort herrschenden politischen Mehrheiten allerdings wohl als reine Formsache. Aber was kommt dann? Es muss bezweifelt werden, ob mit der offenen Konfrontation, mit der Inhaftierung katalanischer Spitzenpolitiker, mit der Absetzung des Regionalparlaments und mit einer Zwangsverwaltung Kataloniens der Konflikt aus der Welt geschafft werden kann. Soll die von Madrid kontrollierte paramilitärische Guardia Civil erneut gegen Demonstranten eingesetzt werden? Soll gar das spanische Militär zum Zug kommen?
Eines ist klar: Erstmals seit dem Ende der Franco-Diktatur und der Rückkehr zur Demokratie vor knapp 40 Jahren steht Spanien vor einer Zerreißprobe. Auf beiden Seiten sind die Hardliner am Zug. Mit bitteren Folgen für ein Land, das innerhalb Europas trotz aller Rückschläge zu einem Erfolgsmodell wurde. Wer nun die Spaltung der Gesellschaft in Kauf nimmt, um damit politisches Kleingeld zu gewinnen, spielt mit dem Feuer. Und damit sind nicht nur die Separatisten in Katalonien gemeint. Auch Spaniens Premier Rajoy ist Teil des Problems: Er torpedierte ein bereits ausverhandeltes Autonomiepaket für Katalonien, um den spanischen Neo-Nationalismus zu befeuern und sich selbst als starken Mann zu positionieren. Wo bleibt die politische Größe, wo bleiben die Stimmen der Mäßigung, wo bleibt die politische Vernunft, die sich die Menschen verdient hätten?

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