TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Mittwoch, 7. Februar 2018, von Christian Jentsch: „Poker um Balkan vor den Toren der EU“

Innsbruck (OTS) - Die Staaten des Westbalkan setzen ihre Hoffnungen auf Europa. Doch die Region ist längst zum Aufmarschgebiet anderer Welt- und Regionalmächte wie Russland, China, der USA und der Türkei geworden.

Im Wartesaal vor den Toren der Europäischen Union wird es langsam eng. Vor allem die sechs Staaten des Westbalkan – Serbien, Montenegro, Mazedonien, Albanien, Bosnien-Herzegowina und der Kosovo – hoffen auf eine Zukunft in Europa. Noch. Denn die offiziellen EU-Beitrittskandidaten wie Serbien und Montenegro – sie haben derzeit die besten Karten für einen Beitritt bis zum Jahr 2025 – und potenzielle Kandidaten wie Bosnien-Herzegowina haben nicht nur eine europäische Perspektive. Gerade der Balkan, seit Jahrhunderten Spielball der großen Weltpolitik, ist wieder zum Aufmarschgebiet der Welt- und Regional­mächte geworden. Und die EU droht vor ihrer Haustüre – trotz großen finanziellen Einsatzes – überrumpelt zu werden. Mit langfristigen Folgen nicht nur für den Westbalkan, sondern für ganz Europa.
Nicht nur Russland ist am Balkan in die Offensive gegangen und hat mit Serbien, das sich seit Jahren in einem Hochseilakt zwischen Moskau und Brüssel übt, einen traditionell engen Verbündeten. Auch China, das mit Mega-Investitionen im Rahmen seines Projekts der „Neuen Seidenstraße“ Fuß fassen will, und die Türkei mischen kräftig mit. Die USA setzen ihrerseits auf das Energie-Thema und wollen ein Flüssiggas-Terminal in Kroatien errichten, um Europa unabhängiger von russischen Gasimporten zu machen. Die EU hat mächtige Gegenspieler, wenn es um Macht und Einfluss in Südosteuropa geht. Aufgeschreckt von den jüngsten Entwicklungen versucht Brüssel nun, den Beitritts­prozess mit den Ländern des Westbalkan zu beschleunigen. Zumindest Serbien und Montenegro soll bis 2025 der Weg in die EU geebnet werden. Doch was auch immer von der EU-Kommission vorgeschlagen wird, letztlich muss eine Erweiterung einstimmig von allen EU-Mitgliedsländern durchgewinkt werden.
Und eingezwängt zwischen Brexit, dem Erfolg neuer Nationalisten und dem Kaputtreden einer Union, die Europa nach dem Zweiten Weltkrieg über Jahrzehnte Wohlstand, Demokratie und wirtschaftlichen Aufschwung gebracht hat, fehlt der EU derzeit die Kraft und in den meisten Mitgliedsländern auch der politische Wille zu einer Erweiterung. In Zeiten nationaler Egoismen innerhalb der Union stehen Beitrittskandidaten vor verschlossenen Türen. Ein zerstrittenes und gespaltenes Europa ist derzeit ganz und gar mit sich selbst und seiner Selbstzerfleischung beschäftigt. Was dessen Gegenspieler auf globaler Ebene auszunutzen wissen. Auch am Balkan.

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