TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Montag, 10. September 2018, von Florian Madl: „Wenn Vorbilder zu Vorkämpfern werden“

Innsbruck (OTS) Beim Skandal-Endspiel der US Open gerierte sich Tennisstar Serena Williams als Vorkämpferin für Frauenrechte, um ihr Fehlverhalten zu rechtfertigen. Der Fall erinnert an Mesut Özils Rassismus-Vorwurf, von dem nichts als Scherben zurückblieben.

Serena Williams schwingt nicht nur den Tennisschläger, sondern gerne auch die Verbalkeule. Auf Letzteres versteht sich die 36-Jährige allerdings weniger gut, ihr am Samstag im Finale der US Open geäußerter Sexismus-Vorwurf nach einem Strafpunkt durch den Schiedsrichter reiht sich nahtlos in eine Serie früherer Ausrutscher ein. Ob sie damit ihrer selbst auferlegten Mission, für Frauenrechte einzutreten, einen guten Dienst erwiesen hat?
Doch die Unsitte, Entgleisungen mit dem Verweis auf das vermeintlich große Ganze zu rechtfertigen, erlebt mittlerweile eine Hochkonjunktur im Sport. Deutschlands ehemaliger Fußball-Nationalspieler Mesut Özil posierte ungeniert mit dem demokratiepolitisch untragbaren türkischen Präsidenten Erdogan für ein Foto, auf Kritik reagierte er mit dem hemdsärmelig formulierten Vorwurf des Alltagsrassismus im Nationalteam.
Doch in den Fällen Williams/Özil beschämt weniger die Aussage offensichtlich fehlgeleiteter Sportler, sondern die daraufhin einsetzende Lagerbildung in der öffentlichen Diskussion. Plötzlich geht es nicht mehr darum, dass im Team von Frau Williams gegen eine Tennisregel verstoßen wurde (Coaching) oder dass Herr Özil seinen WM-Einsatz für einen politischen Zweck missbrauchen ließ. Plötzlich geht es darum, sich als Kämpfer für Gerechtigkeit zu profilieren, um damit eigene Fehltritte zu erklären. Sexismus im Tennissport? Wie sonst kaum wo wird bei Grand-Slam-Turnieren darauf geachtet, dass Frauen bis hin zum Preisgeld derselbe Stellenwert eingeräumt wird. Dabei benötigen Herren drei Gewinnsätze zum Sieg und die Öffentlichkeit nimmt ungleich mehr Notiz davon (Sponsoring!).
Und Rassismus im deutschen Nationalteam? Bereits 2007 wurde vom Deutschen Fußballbund (DFB) eines von zahlreichen Integrationsprojekten forciert, das Weltmeisterteam von 2014 in Brasilien stand stellvertretend für das gelungene Miteinander von Spielern mit unterschiedlichen Herkunftsländern. So wie in der Schweiz, in Frankreich, in den Niederlanden, in Schweden… Sportstars müssen in Zeiten sozialer Medien eine Sensibilität für Meinungsbildung entwickeln, das scheint nicht überall angekommen zu sein. Sonst entgleisen öffentliche Diskussionen wie jene im Fall Serena Williams, wo sogar Ex-Größen und der US-Verband den Fehltritt der Ausnahmesportlerin rechtfertigen. Die Zustimmung der Wutbürger ist ihnen gewiss – das fassungslose Kopfschütteln der Vernunftsfraktion ebenso.

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