TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Samstag, 2. Februar 2019, von Mario Zenhäusern: „Ritt auf der Rasierklinge“

Innsbruck (OTS) Die FPÖ muss darauf achten, im bevorstehenden EU-Wahlkampf den Koalitionspartner ÖVP nicht zu sehr zu reizen. Gezielte Provokationen, wie sie Innenminister Kickl gerne setzt, könnten sonst rasch zur Eskalation führen.

In den vergangenen Tagen und Wochen hatten etliche ÖVP-Anhänger jede Menge Erklärungsbedarf. Bei vielen Nationalratsabgeordneten klingelte das Mobiltelefon schier pausenlos. Einer berichtete, dass ihn empörte Anrufer sogar am Arbeitsplatz aufgestöbert hätten.
Die Vertreter der türkis-schwarzen Regierungsmehrheit mussten sich vor ihren Wählerinnen und Wählern für etwas rechtfertigen, wofür sie – eigentlich – keine Verantwortung tragen: das Verhalten einiger Regierungsmitglieder aus den Reihen des Koalitionspartners. Vor allem der Sager von Innenminister Herbert Kickl, wonach das Recht der Politik zu folgen habe und nicht die Politik dem Recht, sorgt landauf, landab für Empörung. Nun muss man beileibe nicht mit jeder Entscheidung der heimischen Justiz einverstanden sein, vieles ist auch hier kritisch zu hinterfragen. Aber dass die Rechtsprechung quasi auf Zuruf der Politik zu funktionieren habe, diese Zeit haben wir alle glücklicherweise schon lange hinter uns gelassen.
Kickls Aussage ist eine Grenzüberschreitung, die ihm nicht einfach passiert. Im Gegenteil: Er provoziert bewusst und sendet Signale an Gleichgesinnte, wenn er von der „Konzentrierung“ von Asylwerbern träumt, unliebsame Medien von den polizeilichen Info-Kanälen abschneiden will oder sich eben mit der Justiz anlegt.
Nicht minder umstritten ist seine Parteifreundin Beate Hartinger-Klein. Niemand bestreitet die Notwendigkeit von Veränderungen im Sozialbereich. Die Reform der Sozialversicherungen ist seit Jahren überfällig, ohne einschneidende Änderungen droht das Gesundheitssystem zu kollabieren, außerdem schreit die haus­ärztliche Unterversorgung der ländlichen Bevölkerung geradezu nach wirksamen Maßnahmen. Es geht nicht darum, dass die Ansätze der Ministerin falsch sind, es geht um das „Wie“. Wer den emotional sensiblen Sozial- und Gesundheitsbereich neu austarieren will, sollte das Ziseliermesser verwenden, nicht den Bihänder.
Kickl, Hartinger-Klein und der Rest der blauen Regierungstruppe müssen aufpassen, dass sie den Bogen nicht überspannen. Bis jetzt hat Sebastian Kurz seine ÖVP fest in der Hand, stehen die Abgeordneten trotz des kritischen Feedbacks in der Heimat hinter dem Koalitionspartner. Aber bereits der bevorstehende EU-Wahlkampf wird zum Ritt auf der Rasierklinge. Fortwährende blaue Provokationen könnten dann die türkis-schwarze Phalanx, an der bis jetzt alle Misstrauensanträge der Opposition abprallten, plötzlich sprengen.

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