TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Samstag, 25. November 2017, von Alois Vahrner: „Staatsräson oder Partei-Egoismus“

Innsbruck (OTS) - Ausgerechnet Deutschland, Europas bisher stärkster und verlässlichster Stabilitätsfaktor in einer krisenhaften Welt, steht wegen Partei-Egoismen hart am Rande der Regierungs-Unfähigkeit. Ein Alarmsignal für die Demokratie.

Hierzulande laufen die Koalitionsgespräche zwischen ÖVP und FPÖ bisher weitgehend nach Plan. Außerhalb aller (bisher weitgehend gelungenen) politischen Inszenierungen, dass man anders als bisher Rot-Schwarz mit- statt gegeneinander agieren will, scheint das Gesprächsklima um Welten besser zu sein als bei der alten Koalition. Klar ist: Nach Einigungen bei ohnehin unstrittigen Themen wie der Sicherheit oder über ein Digitalpaket kommen die großen, schwierigen inhaltlichen und personellen Brocken erst. Und da wird die ÖVP zeigen müssen, wie viel Türkis statt altem Schwarz in ihr steckt, und die FPÖ, wie sehr sie tatsächlich von Frontal-Oppositions- in einen Regierungsmodus wechseln kann. Dass die Regierung noch heuer steht, scheint aber möglich.
Ungleich schwieriger stellt sich die Lage in Deutschland dar, das drei Wochen vor Österreich gewählt hat. Herbe Verluste für die bisherigen Koalitionäre aus CDU/CSU sowie SPD, zudem insgesamt 22 Prozent für die ganz rechts stehende AfD und die Linken. Blieb arithmetisch nur eine Neuauflage der soeben abgestraften GroKo (Große Koalition) oder das inhaltlich abenteuerlich zu bewerkstelligende Bündnis aus Union, FDP und Grünen. Die in ihren Grundfesten erschütterte SPD kündigte den Gang in die Opposition an, die geschwächte Kanzlerin Angela Merkel versuchte notgedrungen das Jamaika-Bündnis. Vergebens. Die Verhandlungen gesprengt haben aber nicht die dafür „Hauptverdächtigen“, die CSU oder die Grünen, sondern die FDP.
Bleiben alle Parteien, also SPD und auch FDP, im Schmollwinkel, dann ist Deutschland tatsächlich nicht mehr stabil regierbar. Dann sind, so nicht etwa die SPD eine Minderheitsregierung stützt, Neuwahlen unausweichlich. Mit der Aussicht auf einen höchst unsicheren Ausgang und der sehr realen Gefahr, dass die Ränder (vor allem die AfD) noch deutlich stärker werden. Und die Parteien rechts und links der Mitte stünden klarerweise wieder vor dem Dilemma, die ungeliebten (Verhandlungs-)Partner von vorher zu haben.
Der Druck auf SPD und FDP, die Gespräche wieder aufzunehmen, wird massiv steigen. Zu Recht! Denn demokratische Parteien, die nicht miteinander verhandeln wollen und ein Land fast unregierbar machen, führen zu Wähler-Verdrossenheit und sogar Zweifeln an der Demokratie. Und deren Funktionieren ist weit über (teils nachvollziehbare) Partei-Egoismen zu stellen. An Deutschland hängt zudem weit mehr: vor allem die ohnedies nicht leichte Zukunft der EU und das Gewicht, das man gegenüber den USA, Russland und China hat. Alle drei Großmächte beobachten die deutsche Krise genau.

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