TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Samstag, 3. April 2021, von Peter Nindler: „Die Kirche verspielt ihre Mission“

Innsbruck (OTS) - Nach einem Jahr Pandemie und dem zweiten Osterfest mit Corona wirkt die katholische Kirche noch ratloser. Sie hat weder ihre Rolle gefunden noch spielt sie eine im öffentlichen Diskurs. Allerdings war dies bereits vor Corona der Fall.

Der deutsche Religionssoziologe Detlef Pollack verortet die Kirchen in der Corona-Krise auf einer Gratwanderung. Besonders die katholische Kirche „dürstet“ nach Präsenz, die sie in der breiten Bevölkerung allerdings schon längst an die Taufscheinkatholiken verloren hat. So eingeschränkt die Gottesdienste auch sind, die Kirche krallt sich mitunter verstörend daran fest. Was im Bildungsbereich nachvollziehbar ist, wird dort zum selbstverständlichen Erwartungshorizont. Soziale Distanz ja, aber keine leeren Kirchenbänke. Außer es geht gar nichts mehr wie im Lockdown.
Deshalb agiert die Kirche in der Pandemie vorwiegend defensiv. Und meist mit sich selbst beschäftigt, weil sie zu wenig vernetzt ist. Die Diözesen bieten Heimkirche an, trotzdem tun sie sich nach einem Jahr Corona weiter schwer damit. Aus dem öffentlichen Diskurs hält sich der Klerus mit Ausnahme des Asylthemas ohnehin weitgehend heraus. Warum überrascht das nicht? Weil es vor Corona eigentlich nicht anders war. Hingegen hat sich die (inhaltliche) Führungsschwäche durch die Pandemie verschlimmert.
Der „einsame“ Papst in Rom will gehört werden, Franziskus wird es aber kaum. Mit dem Segnungsverbot für homosexuelle Paare irritiert der Vatikan jetzt nicht nur die liberalen Katholiken. Gleichzeitig wird die in Mitteleuropa einflussreiche deutsche Kirche vom Umgang mit Missbrauchsfällen gelähmt, die sie jahrelang aussitzen und ignorieren wollte. In Österreich wiederum hinterlässt Kardinal Christoph Schönborn ein Vakuum in der Bischofskonferenz. Nicht erst seit seinem Rückzug als Vorsitzender vor einem Jahr, schon zuvor spürte die Öffentlichkeit die Amtsmüdigkeit des 2019 schwer erkrankten Oberhirten.
Schönborn handelte stets als Diplomat in der Soutane, doch er war eine über Wien hinaus wirkende Instanz. Sein Nachfolger und Salzburger Erzbischof Franz Lackner verwaltet das Amt, Akzente sind von ihm keine zu erwarten. Vielmehr herrscht gespanntes Warten darauf, wen der Papst zum neuen Erzbischof von Wien und in der Folge zum Kardinal ernennt. Das blockiert ebenfalls.
Das zweite Osterfest mit der Pandemie wird nicht nur spirituell für die katholische Kirche zur großen Herausforderung. Schließlich wirkt sie noch ratloser als vor einem Jahr. Nach innen und nach außen. Oder wie formuliert es die Wochenzeitung Die Furche abwägend:
Der christliche Glaube als Weltanschauung und gelebte Praxis bewegt sich in Zeiten von Corona zwischen Erosion und Tiefgang. Letztlich bleibt es eine Gratwanderung.

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