TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Samstag, 30. Juni 2018, von Mario Zenhäusern: „Europa macht die Tür weiter zu“

Innsbruck (OTS) Die EU hat ihre Asyl- und Migrationspolitik verschärft. Der grundsätzliche Streit über die faire Verteilung von Flücht­lingen auf alle Mitgliedsstaaten bleibt aber ungelöst. Ab Sonntag muss Sebastian Kurz versuchen, das Problem zu lösen.

Und sie bewegen sich doch! Die 28 Regierungschefs der Europäischen Union haben sich in der Nacht zum Freitag darauf verständigt, die Tür zu Europa ein weiteres Stück zu schließen. Die Einigung über die künftige Strategie in der Asyl- und Migrationspolitik ist allerdings zunächst einmal nicht viel mehr als eine Ansammlung vager Bestimmungen. Vor allem die so genannten „Ausschiffungsplattformen“ außerhalb der EU, mit denen Migranten die Perspektive Europa und Schleppern die Geschäftsgrundlage entzogen werden soll, hinterlassen Skepsis. Noch hat sich kein Land bereiterklärt, sich auf diesem heiklen Terrain zu engagieren. Auch die freiwillige Aufteilung schutzbedürftiger Flüchtlinge innerhalb Europas ist nur ein frommer Wunsch. Etliche EU-Staaten weigern sich beharrlich, überhaupt Flüchtlinge aufzunehmen.
Wie auch immer: Jene Mitgliedsstaaten, die von der EU einen harten Kurs verlangten – darunter auch Österreich –, haben sich durchgesetzt. Die Tatsache, dass diese Lösung überhaupt zustande kam, könnte angesichts der tristen Ausgangssituation durchaus positiv gewertet werden. Dass die Einigung auf dem Rücken hilfloser Menschen ausgetragen wird, dass Europa auf die internationale Fluchtbewegung keine andere Antwort als die Abschottung hat, lässt die Freude über die Geschlossenheit aber rasch vergehen.
Noch ist ungewiss, wie sich der nächtliche Beschluss und die von Bundeskanzlerin Angela Merkel gesammelten Bereitschaftserklärungen zur Rücknahme von Asylwerbern auf die innerdeutsche Regierungskrise auswirken werden. CDU und CSU wollen am Wochenende beraten. Alles andere als eine Streitbeilegung wäre eine Überraschung. CDU-Chefin Merkel pocht darauf, die Forderungen der bayerischen Hardliner erfüllt zu haben. CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer wird es sich gut überlegen, aus rein parteitaktischen Gründen weiter einen Anti-Merkel-Kurs zu fahren. Dann nämlich könnte die CDU überlegen, dem aufmüpfigen kleinen Bruder aus dem Süden Deutschlands den Sessel vor die Tür zu stellen und sich andere Koalitionspartner zu suchen. Bundeskanzlerin Merkel und die EU haben auf die Forderungen der Bayern und ihrer Verbündeten in Europa reagiert, die Asyl- und Migrationspolitik verschärft. Der grundsätzliche Streit über die gerechte Verteilung von Flüchtlingen in Europa aber bleibt ungelöst. Ab Sonntag muss der neue Ratsvorsitzende Sebastian Kurz versuchen, diesen gordischen Knoten zu durchschlagen.

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