Tiroler Tageszeitung „Leitartikel“ vom 01.06.2018 von Mario Zenhäusern „Ursache statt Auswirkung bekämpfen“

Innsbruck (OTS) Straches Vorstoß, über die Belastungen durch die Zuwanderung von Arbeitskräften aus Osteuropa zu diskutieren, ist berechtigt. Sein Lösungsansatz, die Personenfreizügigkeit zu beschränken, ist aber unvereinbar mit den EU-Zielen.

Die Empörung über den Strache-Vorstoß in Sachen Personenfreizügigkeit in der EU ist groß. Einen Monat vor der Übernahme des Ratsvorsitzes stellt Österreichs Vizekanzler eine der Grundfesten der Europäischen Union in Frage. Strache will darüber diskutieren, dass es „nicht gut ist für die europäische Entwicklung, das gesamte intellektuelle, gut ausgebildete Potenzial Osteuropas für Westeuropa abzuziehen“, und löst damit einen Sturm der Entrüstung aus.
Einmal ganz abgesehen davon, dass es Strache insgeheim weniger um Osteuro­pa als um eine Politik unter dem Motto „Österreich zuerst“ geht: Wenn der FPÖ-Chef den Zuzug von Arbeitskräften aus den östlichen EU-Mitgliedsstaaten beschränken will, spricht er aus, was sich viele in Österreich und nicht nur hier denken. Es ist kein Geheimnis, dass in Europa ein Ost-West-Gefälle in Sachen Lohnniveau und Lebensstandards vorherrscht. Der Westen wirkt wie ein Magnet auf die Menschen im Osten, die sich von einem Wohnortwechsel ein besseres Leben versprechen. Die Auswirkungen auf Arbeitsmarkt und Sozialausgaben sind spürbar. Deswegen ist die Diskussion darüber durchaus legitim.
Strache aber will die Ost-West-Abwanderung durch die Beschränkung der Personenfreizügigkeit lösen, will in Richtung Osteuropa „regulierende Lösungen“ finden. Damit bekämpft er lediglich Auswirkungen eines Problems, nicht Ursachen – und muss sich zu Recht vorwerfen lassen, in eine nationalistische Sackgasse abzubiegen.
Wer zur Europäischen Union steht, kann nicht gleichzeitig die Abschaffung ihrer Grundrechte wollen. Vielmehr gilt es, alle Mitgliedsstaaten sukzessive auf West-Niveau anzuheben. Nicht nur, was die Lebens­umstände (Wohnen, Verdienst etc.) anbelangt, sondern vor allem auch hinsichtlich der Grundwerte wie Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Einhaltung der Menschenrechte. Am Ende dieses Prozesses steht ein Europa, in dem niemand mehr auswandern muss, um woanders ein besseres Leben führen zu können.
Würden sie es mit der EU ernst meinen, hätten Europas Politiker längst über Wege diskutiert, sich diesem Idealzustand rasch anzunähern. Schließlich haben alle Staaten mit der Beitrittserklärung zugesagt, einen Beitrag zu Frieden und Sicherheit zu leisten, sich für den Schutz der Menschenrechte und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit einzusetzen und gleichzeitig Freizügigkeit und Sicherheit zu gewährleisten. Straches Plan, die Personenfreizügigkeit für Osteuropäer einzuschränken, läuft diesen Zielen diametral entgegen. Wie leider vieles in der Europäischen Union, die längst keine Einheit mehr ist.

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