TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel vom 11. Februar 2020 von Karin Leitner – „Versuch, aus Not eine Tugend zu machen“

Innsbruck (OTS) Die vom Regierungschef ungewollt initiierte Debatte könnte ihr Gutes haben.
Dann, wenn es nicht beim Lippenbekenntnis bleibt, die Justiz „zu stärken“ – nicht nur finanziell.

Der Aufschrei der Justizvertreter war berechtigt. Dass ein Bundeskanzler Repräsentanten der „dritten Gewalt“ – der Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft – Parteilichkeit unterstellt, ist ein Novum. Offen hat er das nicht getan, sondern „off records“. Die Verbalattacken sind dennoch publik geworden.
Sebastian Kurz versucht, aus der Not eine Tugend zu machen – indem er sich als Reformer geriert, auch wenn er für den Bereich nicht zuständig ist, sondern Grünen-Ministerin Alma Zadić. „Defizite und Verbesserungspotenziale“ ortet er. Ein bewerkenswerter Befund ob ÖVP-Ministern vom 2. Dezember 2008 bis zum 3. Juni 2019. Verfahren dauerten zu lang, befindet Kurz „on records“ seit Tagen. Ja, das stimmt – verschulden tun das aber nicht die Staatsanwälte. Vom Ressourcenmangel rührt das her. Personal fehlt allerorten.
Auf das hat schon Clemens Jabloner, Ressortchef der Übergansregierung, mit einem Sprachbild hingewiesen. Er warnte vor dem „stillen Tod“ der Justiz. 90,6 Millionen Euro mehr seien vonnöten – um den Status quo aufrechtzuerhalten. Neuerungen seien da nicht eingepreist. Die Standesvertreter beziffern den zusätzlichen Bedarf nun mit 150 Millionen.
Den türkis-grünen Koalitionären war das bewusst. Im Regierungsprogramm haben sie festgeschrieben, die Justiz besser zu dotieren. Das zu machen, beteuern sie auch jetzt – nach der „Aussprache“ mit Vertretern der Justiz. Die ÖVP stellt den Finanzminister. Er kann bei den Budgetverhandlungen zeigen, dass das kein Lippenbekenntnis war.
Ein solches sollte auch nicht sein, „die Justiz zu stärken“. Mit Pauschalverdächtigungen gelingt das aber nicht; mit diesen wird das – zu Recht hohe – Vertrauen der Bürger in die Justiz geschwächt. Das darf niemand wollen.
Gestärkt würde die Unabhängigkeit von Richtern und Staatsanwälten auch durch etwas, auf das diese seit Langem drängen: dem Justizminister das Weisungsrecht zu entziehen, es einem Generalstaatsanwalt zu überantworten, bestellt vom Parlament. Die Grünen wollten das, die ÖVP ist aber nach wie vor dagegen. Sie denkt hoffentlich um.
Die Teilung der Gewalten ist ein hohes Gut, das es zu schützen gilt. Nicht den Hauch von Parteilichkeit darf es bei Staatsanwälten geben, nicht den Hauch von Druck auf diese von der Politik. Schärft die jetzige Debatte das Bewusstsein dafür, dann war sie
dienlich.

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