TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel vom 13. Februar 2020 von Wolfgang Sablatnig – „Ein Schurkenstück als ernste Warnung“

Innsbruck (OTS) Geheimdienstexperten sehen in der US-deutschen Abhöraffäre eine der größten Spionageoperationen der Geschichte. Europa sollte daraus lernen, sich bei neuen Technologien nicht noch abhängiger von den USA und China zu machen.

Auf den ersten Blick ist es eine Geschichte, die man selbst einem Autor vom Schlage eines John Le Carré nur schwer abnehmen würde. Da haben zwei Nachrichtendienste über Jahrzehnte hinweg Freund und Feind ausspioniert – und haben sich dafür von ihren Opfern auch noch teuer bezahlen lassen. Ein echtes Schurkenstück.
Unglaublich bleibt die Geschichte der Crypto AG und ihrer stillen Teilhaber aus den USA und Deutschland auch auf den zweiten Blick. Allerdings tritt das besorgte Staunen in den Vordergrund. Spionage ist ein schmutziges Geschäft. Die geheime Aufklärung und ihre Abwehr gehören seit jeher zum Repertoire jeder (Macht-)Politik. Auch das neutrale Österreich hat mit dem militärischen Abwehramt und dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung zwei Dienste, die in diesem Feld tätig sind.
Das Ausmaß der Crypto-Affäre überrascht dennoch. Hier sind noch viele Fragen offen, wer aller Bescheid wusste.
Der Blick muss vor allem aber in Richtung Gegenwart und Zukunft gehen. Codierungstechnik, wie sie die Crypto AG angeboten hat, ist in Zeiten des Internets kein Thema mehr.
An ihre Stelle traten andere Geräte, andere Netzwerke, andere Software. Wieder stecken hinter dieser Technologie Unternehmen, an denen private wie staatliche Nutzer kaum vorbeikommen. Und nicht alle Herkunftsländer dieser Anbieter sind so vertrauenerweckend, wie die Schweiz es (nur scheinbar) war.
Die Enthüllungen zeigen, dass technische Hintertüren genutzt werden, wenn sie da sind. Sie belegen, dass es gute Gründe dafür gibt, die Ausstatter des geplanten 5G-Datennetzes genau unter die Lupe zu nehmen. Sie zeigen aber auch, dass das Spiel mit Sicherheitslücken (Stichwort Bundestrojaner) gefährlich sein kann.
All das sollte nicht zu Paranoia oder Technikfeindlichkeit führen. Die Uhren der modernen Kommunikationsgesellschaft lassen sich nicht mehr zurückdrehen. Die Enthüllungen sollten aber Anlass sein, die damit verbundenen Gefahren nicht auf die leichte Schulter zu nehmen – privat, für den Staat, für die Wirtschaft.
Für Österreich und Europa müsste die Konsequenz sein, sich bei den neuen Technologien nicht noch weiter von Amerika und China abhängig zu machen. Absolute Sicherheit wird dennoch Illusion bleiben. Denn wir haben gelernt: In der Welt der Spione sind auch Freunde nicht davor gefeit, zum Ziel zu werden.

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