TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 18. Februar 2020 von Florian Madl „Die Kunst des Steinewerfens im Glashaus“

Innsbruck (OTS) Bei den Biathlon-Weltmeisterschaften in Antholz werden derzeit Sieger gefeiert und russische Dopingsünder abgeurteilt.
Das Possenspiel entzweit die Sportwelt einmal mehr in Gut und Böse, dabei eint beide Pole mehr, als sie glauben.

Da saß er nun, der Sprint-Weltmeis­ter Alexander Loginow: vor sechs Jahren des Dopings überführt, seit vier Jahren wieder ein Biathlet wie alle anderen. Nicht vorbestraft oder etwa pardoniert, vielleicht auch nicht geläutert, aber nach abgesessener Sperre eben doch startberechtigt. Sein erster Makel: die fehlende Glaubwürdigkeit aufgrund eines Fehltritts, wogegen er als erklärter Medienverweigerer wenig unternimmt. Sein zweiter Makel, quasi seine Erbschuld: der Pass – Alexander Loginow ist Russe und steht damit nach Meinung der Öffentlichkeit in einer Doping-Tradition und unter Generalverdacht. Warum ausgerechnet bei Sportgroß­ereignissen die Dämme brechen und Anschuldigungen aus einem Stausee an Mutmaßungen hervorquellen? Nun – wenige Plattformen eignen sich besser, um Aufmerksamkeit zu erhaschen. Und welcher Zeitpunkt wäre günstiger gewählt als die Pressekonferenz eines ehemaligen Dopingsünders wie Alexander Loginow? Doch untätig sind auch die Russen nicht, in ihrer Schmutzkübel-Kampagne griffen sie zuletzt auf eine ehemalige Langlauf- und Biathlon-Olympiasiegerin zurück. Die wiederum warf dem Franzosen Martin Fourcade fragwürdige Methoden vor – die Schlacht war sozusagen eröffnet. Die Norweger holten wenig später zum Gegenschlag aus, die Schweden assistierten. Alle gegen Russland, könnte das Motto einer undifferenzierten Aufarbeitung sein, im Pingpong-Modus werden Befindlichkeiten ausgetauscht. Ein Psycho-Spielchen mit dem Ansinnen, den Gegner zu verunsichern? Das wohl auch. Dabei reicht ein Kurzzeitgedächtnis, um den Steinewerfern im Glashaus die Grenzen aufzuzeigen. Warum etwa darf die siebenfache Langlauf-Weltmeisterin Therese Johaug widerspruchslos Siege in Serie für Norwegen einfahren, seit sie nach einer Dopingsperre zurückkehrte? Und warum ist ihre Heimat seit geraumer Zeit ein Land der Asthmakranken – nicht weniger als 6000 Sprays transportierten die Skandinavier zu den Olympischen Winterspielen 2018 nach Pyeongchang?
Die wahre Misere verbirgt sich hinter Episoden wie der kürzlich aberkannten russischen Olympia-Goldmedaille der Biathlon-Staffel 2014: Sechs Jahre nach einem Fehltritt wird den neuen Siegern aus Deutschland demnächst das Edelmetall wohl per Post zugestellt. Sport-Familien wie die Biathleten sollten sich bei den Weltmeisterschaf­ten in Antholz feiern, nicht gegenseitig zerfleischen.

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