TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 19. Dezember 2017 von Alois Vahrner „Eine nicht allzu direkte Demokratie“

Innsbruck (OTS) - Im Wahlkampf forderten ÖVP und FPÖ unisono einen Ausbau der direkten Demokratie. Während der Verhandlungen bekamen die Neo-Koalitionäre aber offenbar kalte Füße – und fixierten ein bloßes Reförmchen.

Das politische System in Österreich ist besonders stark von Parteien geprägt – direkte Mitbestimmung gibt es kaum. In der Zweiten Republik wurden nur zwei Volksabstimmungen (Zwentendorf und EU-Beitritt) und eine Volksbefragung (allgemeine Wehrpflicht) durchgeführt. „Wir müssen diese Instrumente stärken und ein bis zwei Termine pro Jahr festlegen, an denen Anliegen zur Abstimmung gebracht werden können.“ So hieß es wörtlich im Wahlkampfprogramm des nunmehrigen Bundeskanzlers Sebastian Kurz.
Sein Regierungs-Gegenüber, FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, konstatierte im Vorfeld bei Rot-Schwarz „Angst vor den Wählern“ und forderte eine ganze Reihe von Volksabstimmungen, etwa zu TTIP und CETA, über den Kammerzwang oder gegen eine Bargeld-Abschaffung. Nach Schweizer Vorbild sollten ab 100.000 Unterschriften Volksabstimmungen obligatorisch sein.
Im nuen Regierungsprogramm seien, zumal man in vielen Fragen auch ähnliche Ansichten habe, mindestens 75 Prozent Handschrift beider Parteien erkennbar, hat jüngst Strache betont. In Sachen direkter Demokratie kann man dies beileibe nicht behaupten: Da kam, gemessen an den Ankündigungen, nur ein Bruchteil heraus.
Neu ist, dass Initiatoren von Volksbegehren ab 100.000 Unterstützern eine echte Gesetzesinitiative starten können – theoretisch gleichwertig mit Regierungsvorlagen und parlamentarischen Initiativanträgen, Rederecht des Initiators im Hohen Haus inkludiert. Den Daumen heben oder senken wird aber weiter die Regierungs-Mehrheit.
Ist das Modell erfolgreich (was auch immer von der Koalition nach drei Jahren so bewertet wird), sollen ab 2022 Volksabstimmungen verpflichtend werden können – allerdings erst ab mindestens 900.000 Unterschriften. Eine sehr, sehr hohe Hürde, die von den bisherigen 39 Volksbegehren gerade einmal drei (1,36 Millionen gegen das Wiener Konferenzzentrum, 1,23 Millionen gegen Gentechnik und 914.000 gegen das Atomkraftwerk Temelin) übersprungen hätten. Das heurige Volksbegehren gegen die Handelspakte TTIP und CETA wäre mit 562.000 Stimmen klar darunter geblieben.
Das Thema direkte Demokratie wurde von Schwarz-Blau weichgekocht und auf Jahre schubladisiert. Volksbegehren sind für die Opposition ein gutes Mittel, Druck zu machen, für eine Regierung hingegen oft unbequem. Diese Überlegung hat jetzt wohl auch den FPÖ-Schwenk „erleichtert“. Die Position bestimmt in der Politik eben oft auch die inhaltliche Position. Kandidat Nummer 1 für eine erzwungene Volksabstimmung und damit eine drohende Koalitions-Niederlage wäre nämlich der Streit um ein totales Rauchverbot in Lokalen.

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