TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 2. August 2018 von Karin Leitner „Trotz Hitze wird es kälter“

Innsbruck (OTS) Ob gegen Flüchtlinge, ob gegen Mindestsicherungsbezieher – immer mehr Leute werden rhetorisch immer brutaler. Wie sich in Italien zeigt, ist der Grat zwischen verbaler und körperlicher Gewalt schmal.

Auch wenn es europaweit vor Hitze glüht, ist immer mehr Kälte zu spüren. Leute, die den Tod eines Marienkäfers beweinen, lassen Hunderte tote Flüchtlinge im Mittelmeer ungerührt. Sie beklatschen das auch noch. Nicht nur an Stammtischen oder in Hinterzimmern, wo sie unter sich sind. Öffentlich tun sie das; Netzwerke wie Facebook und Twitter bieten ihnen eine Bühne, die sie vormals nicht gehabt haben. Gleichgesinnte finden sich da – und versuchen einander an Herzlosigkeit zu überbieten. Immer weniger verstecken sich hinter anonymen Profilen, sie stehen mit ihrem Namen zu ihrer rhetorischen Grausamkeit. „Gut, wenn es ersäuft, dieses Pack“, heißt es etwa. „Dann brauchen wir dieses Schmarotzergesindel bei uns wenigstens nicht durchfüttern.“ Die gängige Reaktion, wenn jemand ob solcher Äußerungen erschüttert ist: Er wird als „Gutmensch“ beschimpft. Sind jene, die so etwas sagen, gerne Schlechtmenschen? Woher rührt die Empathielosigkeit? Warum glauben sie, Wortbrutalität gegen Schutzsuchende und Mindestsicherungsbezieher sei salonfähig geworden?

Bei der Antwortsuche wird man auch in der Politik fündig, bei Repräsentanten dieses Metiers, durch die sich etliche Bürger zu ihrem Rabaukentum animiert und legitimiert wähnen. Rechtspopulisten vom italienischen Innenminister Matteo Salvini bis zu den deutschen AfDlern zeichnen Feindbilder, tagaus, tagein. Auch Vertreter der heimischen Freiheitlichen zählen dazu.
Diese Bilder wirken, vor allem bei jenen, die sich als Wohlstandsverlierer sehen. Neid entsteht, daraus wird Hass.
Dies wie das richtet sich paradoxerweise nicht gegen jene, die materiell viel mehr haben als sie, er zielt auf die, denen es viel schlechter geht.
Wie gefährlich Sündenbockpolitik à la Salvini ist, zeigt sich derzeit in seinem Land. Ein Marokkaner ist von zwei Männern totgeprügelt worden. Daisy Osakue, eine Diskuswerferin mit nigerianischen Wurzeln, wurde angegriffen, ein Roma-Mädchen angeschossen, ein Senegalese geschlagen und beschimpft.
Staatspräsident Sergio Mattarella ist zu Recht besorgt – und warnt vor dem „Gift des Rassismus“.
Die Vorfälle in Italien belegen: Der Grat ist schmal zwischen verbaler und körperlicher Gewalt. Das sollte auch jenen bewusst sein, die hierzulande stetig „zündeln“ – in der Hoffnung, mit Stimmung gegen „die Ausländer“ Stimmen zu lukrieren. Verantwortungsvolle Regierende streuen nicht Gift, sie tragen dazu bei, zu entgiften.

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