TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 22. September 2020 von Floo Weißmann „Gescheitert und doch so wichtig“

Innsbruck (OTS) Die Vereinten Nationen konnten den Frieden nicht gewährleisten. Trotzdem gibt es derzeit keine Alternative
zur UNO. Die Welt ist enger zusammengerückt und braucht mehr denn je ein globales Management.

Ausgerechnet zur 75-Jahr-Feier der Vereinten Nationen findet die jährliche Generaldebatte heuer nur virtuell statt. Wegen der Pandemie liefern die Könige, Präsidenten, Regierungschefs und Außenminister ihre Redebeiträge per Videoschaltung ab. Das sonst übliche Stelldichein der Weltpolitik am Rand der Generaldebatte entfällt. Das entbehrt nicht einer gewissen Symbolkraft, was den heutigen Zustand der Vereinten Nationen betrifft.
Gemessen an ihrem Gründungsgedanken ist die Weltorganisation gescheitert. Die UNO-Charta entstand aus der Erfahrung des Zweiten Weltkriegs. Die Unterzeichnerstaaten vereinbarten verbindliche Regeln für den Umgang miteinander und für eine kollektive Konfliktlösung. Dutzende Male ist in der Charta die Rede vom Frieden und sogar vom Weltfrieden.
Zwar ist ein dritter Weltkrieg bisher ausgeblieben, und die zahlreichen Unterorganisationen der UNO leisten wertvolle Beiträge. Aber vom Frieden war und ist die Welt weit entfernt. Wenn Großmacht-Interessen aufeinanderprallen – und das trifft auf die allermeisten Konflikte zu –, bleiben den Vereinten Nationen und dem Völkerrecht bestenfalls Nebenrollen. Das hängt auch mit der Struktur der Vereinten Nationen zusammen, die weiterhin das globale Machtgefüge nach dem Zweiten Weltkrieg abbildet. Für eine Reform müssten u. a. die fünf Vetomächte zustimmen, ihre eigene Macht zu beschneiden. Das wird in absehbarer Zukunft nicht passieren.
So frustrierend die Lage erscheinen mag, sie könnte noch schlimmer sein – nämlich gänzlich ohne Weltorganisation. Trotz aller Unzulänglichkeiten bieten die Vereinten Nationen weiterhin die einzige Plattform, die alle Länder zusammenbringt und die gerade auch kleinen Ländern eine Mitwirkung ermöglicht. Und das in einer Zeit, in der die globale Polarisierung wieder zunimmt, Großmächte aufrüsten und in den USA ein Präsident regiert, der multilaterale Kooperation für ein Gräuel hält. Gäbe es die UNO nicht schon, würde es heute kaum noch gelingen, sie zu gründen und gemeinsame Grundlagen wie die UNO-Menschenrechte zumindest formal zu vereinbaren.
Die Pandemie mag die Schwäche der Vereinten Nationen illustrieren. Sie erinnert aber zugleich daran, dass eine Welt, die in den vergangenen 75 Jahren immer enger zusammengerückt ist, heute mehr denn je ein globales Management braucht. Das werden in den kommenden Tagen viele Redner betonen. Im besten Fall geht von der virtuellen Generaldebatte ein Bekenntnis dazu aus, es trotz allem miteinander zu versuchen.

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