TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 24. Juli 2017 von Michael Sprenger „Der Grenzkonflikt, ein Grenzfall“

Innsbruck (OTS) - Am Brenner geht es nicht darum, Fluchtursachen zu bekämpfen. Am Brenner geht es nicht um eine
europäische Haltung der Solidarität. Der Brenner ist längst zu einer Wahlkampfzone geworden.

Ein Staat hat die Pflicht – und er muss das Recht dazu haben – zu wissen, wer in sein Land kommt. Es ist keine Bösartigkeit, Personen den Aufenthalt zu verweigern, wenn sie hierfür kein Recht geltend machen können. Es ist keinesfalls herzlos, wenn Österreich darauf hinweist, dass seine Möglichkeiten bei der Integration endlich sind. Auf diese Grundsätze dürften sich wohl alle Parlamentsparteien einigen. Wir könnten noch hinzufügen: Nur mit einer gemeinsamen europäischen Lösung können wir der anhaltenden Migration begegnen. Sagen wir dann noch, dass es darum gehen muss, die Fluchtursachen zu bekämpfen, dann wird keiner aufschreien und dagegen das Wort erheben.

Doch diese Grundsätze reichen nicht aus, eine gemeinsame Haltung einzunehmen. Die Erklärung hierfür ist so einfach banal wie ebenso bitter: Es herrscht Wahlkampf – und die Brennergrenze bietet sich geradezu ideal als Wahlkampfzone an.
Vergessen ist die historische Belastung dieser Grenze, vergessen die EU, die diese Grenze einst überwinden konnte. Wer weiß noch, dass sich Italien und Österreich einmal als Erbfeinde sahen?
Am Brenner geht es nicht um Integration, nicht darum, Fluchtursachen zu bekämpfen, nicht darum, eine europäische Haltung der Solidarität an den Tag zu legen. Am Brenner geht es um Wahlkampf.
Mit Ausnahme des Südtiroler Landeshauptmanns Arno Kompatscher machte niemand auf dem Brenner eine gute Figur. Kompatscher behält einen kühlen Kopf, lässt sich nicht anstecken, versucht auszugleichen. Kompatscher hat einen Vorteil: Er muss keine Wahl schlagen.
Alle anderen, von Innenminister Wolfgang Sobotka bis zu Außenminister Sebastian Kurz, von Landeshauptmann Günther Platter bis zu Hans Peter Doskozil und Heinz-Christian Strache, nützen den Brenner dazu, um sich zu inszenieren. Muskeln zeigen, Stärke beweisen, Wähler ansprechen. Da machte zuletzt auch Bundeskanzler Christian Kern mit, bis ihm dann Doskozil mit den Panzern für den Brenner doch zu weit ging. Seither versucht der Kanzler wieder mehr Anleihe bei Kompatscher zu nehmen.
Die Wahlkampflogik gibt vielleicht jenen Recht, die die Stimmung anheizen und mit der Verunsicherung in der Bevölkerung spielen. Populisten gibt es überall. Doch um dieses europäische Megaproblem zu beherrschen, einzudämmen, vielleicht sogar zu lösen, braucht es anderes: Früher sagte man Politik dazu.

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