TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 24. September 2020 von Floo Weißmann „Der kleinste gemeinsame Nenner“

Innsbruck (OTS) Der Vorschlag der EU-Kommission für eine gemeinsame Migrationspolitik glänzt nicht mit neuen Ideen.
Vielmehr geht es um einen pragmatischen Kompromiss, der endlich doch eine Einigung ermöglichen soll.

Fünf Jahre ist es her, dass eine Massenflucht das Thema Migration ganz oben auf die europäische Agenda gesetzt hat. Seitdem haben sich die Mitgliedstaaten tiefer in gegensätzlichen Positionen eingegraben. Das bisherige Unvermögen der EU, in einer so wichtigen Frage eine gemeinsame Politik zu entwickeln, schadet Europas Glaubwürdigkeit nach innen und außen – ganz zu schweigen von den Konsequenzen für Schutzsuchende.
Nun tritt die nächste EU-Kommission an, das Problem zu lösen. Der Vorschlag, den Kommissionschefin Ursula von der Leyen gestern auf den Tisch gelegt hat, wirkt nicht wie ein großer Wurf. Er geizt mit neuen Ideen oder gar Visionen. Dem ersten Anschein nach hat die Kommission in ihr Paket viele Begriffe gepackt, die seit Jahren durch die Debatte geistern – etwa schnellere Entscheidungen, rigorosere Abschiebungen, stärkerer Außengrenzschutz und mehr Kooperation mit Drittstaaten. Das umstrittene Dublin-System, das den Ankunftstaaten die größte Last aufbürdet, wird zwar aufgeweicht, bleibt aber im Kern erhalten. Europas Migrationsmanagement, das vor allem der Abwehr von Zuwanderern dient, soll sich nicht grundsätzlich ändern. Es geht vor allem um eine bessere Koordination und Umsetzung der Maßnahmen unter europäischem Dach. Damit bildet die Kommission auch den nach rechts gerückten Diskurs ab.
Zum politischen Knackpunkt wird wohl der vorgeschlagene Krisenmechanismus, der alle Mitgliedsländer zu Solidarität verpflichtet – wenn auch nicht unmittelbar zur Aufnahme von Flüchtlingen. Das wird jene auf den Plan rufen, die jede europäische Vorgabe ablehnen. Auf der Gegenseite stehen Kritiker, die fürchten, der Kommissionsvorschlag werde das Recht auf Asyl aushöhlen und zu humanitären Katastrophen wie in Moria führen.
Zwischen diesen Polen hat sich die neue Kommission positioniert. Erneut zeigt sich ihr pragmatischer Ansatz, in Konsultationen einen möglichen kleinsten gemeinsamen Nenner auszuloten. In der Migrationspolitik mangelte es ja weniger an Ideen als am politischen Willen von Mitgliedstaaten, Kompromisse zu schließen. Was nun auf dem Tisch liegt, wird niemanden befriedigen, aber es kann eine Grundlage dafür bilden, nach langen Verhandlungen und viel Theaterdonner vielleicht doch eine Einigung zu erzielen. Es wäre ein Signal nach innen und außen, dass die EU funktioniert. Umgekehrt: Wenn schon Europa am Umgang mit Migranten scheitert, was sollen dann Krisenregionen tun?

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