TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 26. Februar 2019 von Wolfgang Sablatnig „Sagt der Populist zum Populisten“

Innsbruck (OTS) Die Umstände des Mordes an einem Beamten in Vorarlberg verstören. Die Diskussion über die Sicherungshaft zeigt aber, wohin ein schlampiger Umgang mit den Grundrechten führt. Ein Ruf zur Sachlichkeit.

Sagt der Populist zum Populisten: „Du hast diese Forderung nicht zu Ende gedacht.“ Ein Witz? Leider nein: Da macht der blaue Innenminister einen Vorschlag („Sicherungshaft für gefährliche Asylwerber“), den der rote Landeshauptmann in spe zuspitzt („Sicherungshaft auch für gefährliche Österreicher“) – doch statt Zustimmung erntet Hans Peter Dos­kozil eine kalte Abfuhr von Herbert Kickl.
Kickl nimmt die Grund- und Freiheitsrechte dort ins Visier, wo Asylwerber betroffen sind. Damit glaubt er nach dem Mord an einem Beamten in Vorarlberg die Meinung der Bevölkerung zu treffen – und er beruft sich auf Vorgaben ausgerechnet jenes Europarechts, das er sonst so gerne als hinderlich kritisiert.
Die SPÖ wiederum will nicht kategorisch Nein sagen. Zu groß ist die Angst, die eigenen Anhänger vor den Kopf zu stoßen. Gleichzeitig will sie dem Innenminister den Punkt nicht überlassen. Eine interne Abstimmung fehlte aber völlig. Hat keiner bei Doskozil nachgefragt, wie er seine Aussagen wirklich gemeint hat? Als Verschärfung? Oder doch als Versuch, das Thema von der Migrationsfrage wegzubringen? Genug gewundert. Es gilt, was der Bundespräsident gemeint hat: Die Sache ist „rechtlich extrem heikel“. Wir diskutieren plötzlich über einen Eingriff in ein fundamentales Grundrecht – aber nicht auf Grundlage eines ausformulierten Vorschlags samt Abwägung der Für und Wider, sondern auf Grundlage von Emotionen, Zu- und Ausrufen.
Ja, die Umstände des Mordes in Vorarl­berg verstören. Wie kann es sein, dass ein Ausländer wegen seiner kriminellen Karriere Aufenthaltsverbot bekommt und sich trotzdem in Österreich frei bewegen kann? Der Verdacht, dass hier ein Fehler im System besteht, liegt nahe.
Die Ankündigung einer Arbeitsgruppe durch Kanzler und Vizekanzler könnte ein Schritt zur Versachlichung sein. Dort müssen aber alle Fragen zugelassen sein: Brauchen wir wirklich einen Eingriff in die Grundrechte? Ließen sich ähnliche Fälle auch mit gelinderen Mitteln verhindern? Oder ließen sie sich gar nicht verhindern?
Wenn diese Fragen transparent und nachvollziehbar beantwortet sind, kann das Ergebnis auch die Einführung der Sicherungshaft sein. Aber nur dann. Denn die Grundrechte sind zu wertvoll, um sie einem Schnellschuss auf der Welle der Empörung zu opfern. Heute geht es um die persönliche Freiheit. Und welches Grundrecht schränken wir morgen ein, wenn ein Anlass drängt?

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