TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 26. Juli 2019 von Karin Leitner „Politik-Reifeprüfung gefragt“

Innsbruck (OTS) Nach wie vor setzen Parteien auf prominente Quereinsteiger – in der Hoffnung, über den klassischen Wählerkreis hinaus zu punkten. Es ist ein Risiko – auch für die Neulinge im Metier.

Jeden Wahlkampf wieder holen Parteien Polit-Neulinge auf ihre Listen. Die Grünen bieten welche auf; nun haben die NEOS den vormaligen Journalisten Helmut Brandstätter zu einem Nationalratskandidaten gemacht.
Als Ex-ORF- und -Zeitungsmann ist er weithin bekannt, hat also einen Promi-Faktor. Ein solcher bringt Aufmerksamkeit – und letztlich Zuspruch, den es ansonsten nicht gegeben hätte, so das Kalkül. Die NEOS zielen mit Brandstätter auf Christlich-Soziale, denen es mit den Türkisen zu bunt geworden ist. Die ÖVP versuchte bei der EU-Wahl, mit dem Ex-ORF-Moderator Wolfram Pirchner zu punkten – bei Senioren, einer klassischen SPÖ-Klientel.
Ob Sebastian Kurz auch vor dieser Wahl auf politisch Ungeübte setzt, ist offen. Die ÖVP hat ihre Bundesliste noch nicht präsentiert. 2017 stellte sie im Wochentakt derlei Leute vor: Opernball-Frau Maria Großbauer, den Mathematiker Rudolf Taschner, die Ex-Sportlerin Kira Grünberg etwa. Auch nachdem sie in den Nationalrat eingezogen waren, hat man von den meisten von ihnen inhaltlich nichts gehört. Das war zu erwarten von einer Partei mit dem Dogma „Message Control“. Quereinsteiger bringen auch Risiken für jene, die sie engagieren. Inhaltliche Blößen könnten öffentlich werden, etwas äußern könnten sie, das der Parteilinie zuwiderläuft. Besonders unbeliebt in den eigenen Reihen sind jene, die das nicht aus Unbedachtheit tun, sondern weil sie sich eine eigene Meinung erlauben, gestützt auf das – theoretisch – „freie Mandat“.
Brandstätter tut kund, im Programm der NEOS nichts gefunden zu haben, das sich nicht mit seinen Ansichten deckt. Unbequem könnte Brandstätter dennoch werden. Gewohnt, im Job das Sagen zu haben, ist er jetzt nicht der Chef. Als „Individualisten mit Ecken und Kanten“ qualifiziert ihn die Obfrau der Pinken.
Brandstätter bringt aber etwas mit, woran es anderen mangelte. Als langjähriger Polit-Beobachter ist er dem neuen Metier nicht fern. Ein erfolgreiches Parlamentarier-Dasein ist auch damit nicht garantiert. Politik ist ein Handwerk, das es zu erlernen gilt. Nicht das Thematische ist es, an dem viele scheitern; das intus zu haben, ist eine Frage der Zeit. Mit den Strukturen, den Mechanismen kommen sie nicht klar.
Parteichefs sollten gut überlegen, wen sie wegen einer vermeintlichen Schlagzeile zu sich holen. Die, die gefragt werden, sollten ebenfalls überlegen – ob sie der neuen Aufgabe gewachsen sind.

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