TIROLER TAGESZEITUNG: Leitartikel vom 29. April 2017 von Mario Zenhäusern – Erdogan hat den Bogen überspannt

Innsbruck (OTS) - Der türkische Präsident will wie die Briten „den Weg in eine neue Sicherheit“ außerhalb der EU einschlagen. Der EU dürfte das nur recht sein: Die drückt sich weiter davor, den Sultan vom Bosporus in die Schranken zu weisen.

Die Beitrittsverhandlungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei sind offiziell noch im Gange. In Wahrheit aber liegen sie auf Eis, weil der türkische Machthaber Recep Tayyip Erdogan immer tiefere Gräben zwischen Ankara und Brüssel zieht. Auch nach dem heftig umstrittenen Verfassungsreform-Referendum lässt er keine Gelegenheit aus, Europa klein- und seine Türkei großzureden. In einem Akt schier grenzenloser Selbstüberschätzung erklärte er zum Beispiel in dieser Woche anlässlich eines Interviews mit der Nachrichtenagentur Reuters, dass die Europäische Union immer noch nicht begriffen habe, dass sie die Türkei brauche, um ihren Fortbestand zu sichern, und nicht umgekehrt. Die EU befinde sich nämlich „am Rande der Selbstauflösung“, befand Erdogan, der mit einem neuerlichen Referendum liebäugelt. Ziel sei, ähnlich wie die Briten „den Weg in eine neue Zukunft“ außerhalb der EU zu beschreiten.
Recep Tayyip Erdogan ignoriert nahezu alles, was die Europäische Union ausmacht. Er schränkt Menschenrechte, Presse- und Meinungsfreiheit ein oder schafft sie ganz ab. Er beleidigt EU-Politiker (Nazi-Vergleiche), verwendet unschuldige Kriegsflüchtlinge, für deren Betreuung er von der EU Milliarden kassiert, als Faustpfand und ist sich nicht zu schade, den Menschen in Europa direkt zu drohen: Kein Europäer werde auf den Straßen dieser Welt mehr sicher sein, ließ er auf dem Höhepunkt der Eskalation rund um sein Verfassungsreferendum wissen. Recep Tayyip Erdogan hat sich den Sessel selbst vor die Tür gestellt, indem er der Europäischen Gemeinschaft, in die sein Volk so vehement drängt und von der die Wirtschaft seines Landes so abhängt, beinahe täglich zeigt, dass er nichts mehr mit ihr am Hut hat. Wenn er nun partout einen eigenen Weg außerhalb Europas gehen will, soll er das halt um Himmels willen tun.
Die EU hat sich bislang ohnedies gescheut, den selbstgefälligen Sultan vom Bosporus in die Schranken zu weisen. Zwar haben Österreich, und hier vor allem Außenminister Sebastian Kurz und Bundeskanzler Christian Kern, sowie andere Mitgliedstaaten den Ton verschärft, eine einheitliche Linie aber schaut anders aus. Man werde „mit Klugheit wie mit Klarheit“ darüber beraten, „welche präzisen Konsequenzen wir zu welchem Zeitpunkt für angemessen halten“, erklärte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel vor dem heutigen EU-Sondergipfel. Wer jetzt auf das überfällige „So nicht!“ wartet, wird enttäuscht werden: Die Türkei steht nicht auf der Tagesordnung.

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