TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 29. Jänner 2021 von Carmen Baumgartner-Pötz „Viel mehr als ein Einzelfall“

Innsbruck (OTS) Die Ode auf den Rechtsstaat wird hierzulande laut gesungen, wenn es leicht und gegen Schwächere geht. Die ÖVP lässt das Abschiebe-Thema eiskalt, für die Grünen geht es wieder einmal um die eigene Glaubwürdigkeit.

Bei der Abschiebung dreier Schülerinnen und ihrer Familien in der Nacht auf Donnerstag nach Georgien und Armenien wurden von der Polizei geltende Gesetze vollzogen und höchstgerichtlichen Urteilen Genüge getan. Die Betroffenen hatten keinen legalen Aufenthaltsstatus in Österreich, ihre Herkunftsländer gelten heute als sicher. Das ist die nüchterne Sachebene, auf die sich die ÖVP beruft.
Das bei ihr ressortierende Innenminis­terium hat nicht wenig Routine mit Abschiebefällen, die medial durch die Decke gehen: Als Günther Platter Innenminister war – auch schon eine Weile her –, war es Arigona Zogaj, die die Debatte über ein humanitäres Bleiberecht befeuerte: das breites Oberösterreichisch sprechende Mädchen, deren Eltern aus dem Kosovo kamen. Das war im Jahr 2007. Die Frage, wie Familien, nach Jahren in Beruf und Schule verankert, im Land verbleiben können, ist bis heute nicht gelöst. Wieder hat es Kinder und Jugendliche getroffen. Dieses Mal mitten in einer pandemischen Ausnahmesituation, die zur psychischen Extrembelastung einer Abschiebung dazukommt. Das ist die emotionale Ebene in einer vielschichtigen Gemengelage, die viele Menschen so wütend macht: Was ist das für ein Land, das keine Kinder aus den Dreckslagern in Griechenland aufnehmen will und hier geborene junge Menschen in Nacht-und-Nebel-Aktionen mit Polizeigewalt hinauswirft?
Für den grünen Regierungsjuniorpartner ist die vollzogene Abschiebung auf mehreren Ebenen ein Drama. Obwohl für die derzeitige Gesetzeslage nicht verantwortlich zu machen – das Fremdenrecht wurde schon unter roter Kanzlerschaft und später unter Schwarz-Blau I verschärft –, muss die Partei nun den Unmut all jener aushalten, die sie gewählt haben, damit gerade so etwas nicht mehr passiert. Und sie steht einmal mehr als gedemütigter Erfüllungsgehilfe der Law-and-Order-Partei ÖVP da. Vizekanzler Werner Kogler fand gestern zwar klare Worte: Es hätte nicht zwingend abgeschoben werden müssen, was passiert ist, sei „unmenschlich und unverantwortlich“, kritisierte er seinen Ministerkollegen Karl Nehammer (ÖVP). Wichtiger für die grüne Glaubwürdigkeit wären Taten: Kogler und Co. müssten mit dem Koalitionspartner zu einer neuen gesetzlichen Grundlage für solche sensiblen Fälle finden und das humanitäre Bleiberecht neu aufstellen. Ein Interesse der ÖVP daran ist freilich nicht wahrnehmbar.

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