TIROLER TAGESZEITUNG. Leitartikel vom 30. August 2017 von Anita Heubacher – Die Früchte des Akademisierungswahns

Innsbruck (OTS) - Der Ansturm auf die Universitäten hält an. Vorangetrieben durch die Politik und durch Eltern, die ihren Statuskampf über die Bildung ihrer Kinder austragen, hat der Akademisierungswahn ungesunde Ausmaße angenommen.
Gut, dass es Zugangsbeschränkungen gibt. So ist beispielsweise die Anzahl der Studienplätze für das Bachelorstudium Psychologie auf 200 begrenzt. Sonst hätten wir in Innsbruck 1438 wissbegierige Menschen pro Jahr, die alle Psychologen werden wollen. Wenn auch viele davon aus Deutschland kommen, würden dennoch viel zu viele übrig bleiben, die einen Job in einem so kleinen Markt wie Tirol suchen und vermutlich kaum einen finden würden. Es trifft nicht nur Psychologen, die Reihe lässt sich mit vielen Studienrichtungen, auch Juristen oder Betriebswirten, fortsetzen. Studienrichtungen, deren Absolventen noch vor 30 Jahren eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit hatten, einen ausbildungsadäquaten und vor allem gut bezahlten Job zu finden, sind heute mit Tätigkeiten beschäftigt, die früher Maturanten erledigt haben.
Der Akademisierungswahn füllt Bücher, beschäftigt Soziologen und Philosophen und hat Deutschland und Österreich voll, die Schweiz etwas weniger, erfasst. Angeheizt durch politische Propaganda und Mittelumschichtungen hat die Prophezeiung „Nur ein Akademiker hat echte Chancen“ gewirkt. Der Anteil der Akademiker ist auch durch Fachhochschulen und Bachelorstudien gestiegen, die Akademisierungswelle erfasst neue Berufsgruppen wie die Pflege und die Kinderbetreuung. Auf der anderen Seite fehlen uns die Facharbeiter, die Lehre führt ein stiefmütterliches Dasein und wird viel zu wenig wertgeschätzt.
Ein Nährboden für diese Fehlentwicklung ist der Drang zum Gymnasium, der besonders in den Städten um sich gegriffen hat. Wer etwas auf sich hält, dessen Kind geht garantiert ins Gymnasium. Ob geeignet oder nicht, eine humanistische Ausbildung muss es offenbar sein, an deren Ende, oft mangels Alternativen, der Gang zur Universität steht. Gymnasien dienen in den Städten nur noch beschränkt zur Elitenbildung, auch weil die vermeintlichen Vorzugsschüler mit lauter Einsen nicht alle solche sind.
Die Fehlentwicklung muss eingedämmt, die Propaganda umgestellt werden. Es braucht die Botschaft von der Gleichwertigkeit. Nicht nur ein Studium, auch die Lehre, die Matura zählen. Experten fordern eine gemeinsame Schule mit verschränktem Unterricht oder – bis die endlich kommt – mehr Berufsorientierung an den Schulen, vor allem an Gymnasien, die sonst zu viele Schüler produzieren, die sich unter 1438 Interessenten für Psychologie wiederfinden.

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