TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel vom 31.Dezember 2019 von Gabriele Starck – „Ganz und gar kein smartes Jahrzehnt“

Innsbruck (OTS) Die Zehnerjahre, die heute enden, haben in der westlich geprägten Welt einen Politikertypus an die Macht gespült, der im ausgehenden 20. Jahrhundert schon ausgestorben schien. Das ist u. a. das Ergebnis einer Dekade unreflektierter Erregung.

Die Liste ist inzwischen lang: Donald Trump in den Vereinigten Staaten, Boris Johnson in Großbritannien, Viktor Orbán in Ungarn, Matteo Salvini in Italien, Jair Bolsonaro in Brasilien, Scott Morrison in Australien. Sie alle hatten ihren endgültigen politischen Durchbruch in den 10er-Jahren des 21. Jahrhunderts, abgesehen von Orbán gelangten sie gar erst in den vergangenen fünf oder weniger Jahren an die Spitze. Sie alle agieren autoritär. Sie alle drohen die demokratischen Fundamente des Staates, dem sie verpflichtet sind, auszuhöhlen.
Trump, Orbán und Co. gehören zum Typus des Politikers, der in der Aufbruchstimmung der 90er-Jahre, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Annäherung zwischen den einst verfeindeten Blöcken, der Vergangenheit anzugehören schien – zumindest in der westlich geprägten Welt.
All diese Machtmenschen haben eines gemein: Sie verdanken ihren politischen Erfolg den Feindbildern, die sie nähren. Die vermeintlichen Gefahren – durch Mexikaner, Flüchtlinge, Anhänger anderer Religionen, Eliten oder die Europäische Union – erscheinen so riesengroß. Diese Staatenlenker erschaffen damit eine Ordnung, in der es keine Schattierungen gibt, die irritieren könnten. Alles ist schwarz oder weiß, gut oder böse.
Unabhängiger Journalismus gehört für sie alle zum Bösen, auch wenn dies etwas subtiler vermittelt wird als beim Hetzen gegen Ausländer oder Schimpfen über Brüssel. Faktenbasierte Argumente drohen ihre Lügengebilde wie Seifenblasen zum Platzen zu bringen. Und werden sie der Unwahrheit überführt, schreit Donald Trump einfach „Fake News“, Viktor Orbán „Verschwörung“. Und selbst Boris Johnson stellte kürzlich die Gebührenfinanzierung der BBC und damit die Unabhängigkeit von der jeweiligen Regierung in Frage.
Eines aber ist auch klar: Diese Politik ist nur möglich, weil sie gewünscht ist, legitimiert durch Wähler. Viele von ihnen sehnen sich nach einer Ordnung, die ihnen Umbrüche und Ungewissheit erspart – in einer Zeit, in der ihnen das Smartphone – die wohl prägendste Entwicklung der 2010er-Jahre – ständig „Unerhörtes“ und „Bedrohliches“ mitteilt. Und noch bevor Zeit ist, das einzuordnen, taucht schon die nächste Ungeheuerlichkeit auf.
Es war ein Jahrzehnt der Erregung und Empörung. Möge in den 2020ern wieder mehr Muße zur Reflexion Platz finden!

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