TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 4. August 2018 von Mario Zenhäusern „Grenzen der Gemeinschaft“

Innsbruck (OTS) Die Europäische Union hat beim Erstellen des Gemeinschaftsvertrags vergessen, eine effektive Bestrafung der Verletzung von Grundwerten vorzusehen. Dieses Versäumnis nützen immer mehr Staaten schamlos aus.

Immer öfter gefallen sich Mitgliedsstaaten der Europäischen Union darin, eigene Weg zu gehen und der Staatengemeinschaft die lange Nase zu zeigen. Allen voran Ungarn, wo Präsident Orban für sich neue Standards in Sachen Wettbewerbs- und Pressefreiheit definiert hat. Standards, die mit „normalen“ westlichen Werten nicht viel gemein haben.
Ungarn bildet zusammen mit Polen, Tschechien und der Slowakei auch den Kreis der Visegrad-Staaten. Deren Regierungen torpedierten bis dato jeden Versuch, innerhalb der EU einen gerechten Verteilungsmechanismus für Flüchtlinge zu beschließen. Sie blockieren damit seit Jahren eine effiziente und menschenwürdige gesamteuropäische Asyl- und Migrationspolitik.
In Polen wiederum hat die regierende Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) eigene Vorstellungen von einer unabhängigen Justiz. Die mittlerweile beschlossene Reform ist mit den Werten der Europäischen Union so wenig in Einklang zu bringen, dass die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat. Konkret geht es darum, dass die Kommission durch die vier Gesetze umfassende Justizreform die Rechtsstaatlichkeit und die Gewaltentrennung gefährdet sieht und der Auffassung ist, dass die Unabhängigkeit der polnischen Gerichte nicht mehr gewährleistet sei. Rechtsstaatlichkeit und Wahrung der Menschenrechte sind darüber hinaus zwei Grundpfeiler der Europäischen Union, zu deren Wahrung sich alle Mitgliedsstaaten mit der Unterzeichnung der Beitrittsurkunde verpflichtet haben.
Die EU ist nicht in der Lage, auf diese bewusste Missachtung von Grundregeln entsprechend zu reagieren. Sanktionsmöglichkeiten abseits des Jahre dauernden Vertragsverletzungsverfahrens wären notwendig, um alle Mitgliedsstaaten bei der Stange zu halten. Schmerzhafte Strafen in Milliardenhöhe könnten zum Beispiel ein wirksames Mittel gegen die Solo-Attitüden einzelner Staaten bzw. Staatschefs sein. Aber diese Chance hat die EU verpasst: Einer nachträglichen Änderung des Unionsvertrages zu diesem Zweck müssten alle 27 Mitgliedsstaaten zustimmen. Das ist Illusion.
Die Regierung in Warschau weist die Kritik der Kommission übrigens kategorisch zurück, legt sogar noch ein Schäuferl nach, indem sie den Druck auf die Richter an den obersten Gerichtshöfen erhöht. PiS-Chef Jarosław Kaczynski zeigt der Europäischen Union damit ihre Grenzen auf. Gleichzeitig demonstriert er einmal mehr, wie notwendig die Möglichkeit wäre, derartiges Verhalten zu bestrafen.

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