TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Wettbewerb frisst bäuerliche Solidarität“, von Peter Nindler

Ausgabe vom Freitag, 27. August 2021

Innsbruck (OTS) Die schwierige wirtschaftliche Situation zwingt viele Bauern zu nachvollziehbaren Entscheidungen, die aber eine gewisse Entsolidarisierung zur Folge haben. Wie das Andocken von 16 ehemals großen Tirol-Milch-Lieferanten in Berchtesgaden.

Wettbewerb und Solidarität befinden sich in der bäuerlichen Welt auf einer Gratwanderung. Für die (partei-)politische Interessenvertretung der Landwirte, den Tiroler ÖVP-Bauernbund, ist der Zusammenhalt auch heute noch das Rückgrat und die Stärke innerhalb der Volkspartei. Doch die Geschlossenheit im gänzlich ausgewiesenen Bergbauerngebiet Tirol wird bereits seit Jahren strapaziert. Weil es selbst in Tirol die Großen vornehmlich in den Gunstlagen der Inntalfurche sowie im Unterland gibt und die Kleinen in den Berggebieten. Also die klassischen Almbauern.
Der massive wirtschaftliche Druck auf die heimische Landwirtschaft, die im EU-Vergleich mit den großen Agrarnationen Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien oder Irland nach wie vor winzig ist, hat freilich zwangsläufig zu einer Entsolidarisierung geführt. Betriebswirtschaftlich nachvollziehbar, hat man den Bauern doch stets mangelndes wirtschaftliches Denken vorgeworfen. Wenn jetzt 16 große Unterländer Milchlieferanten der Tirol Milch, die nur wenige Kilometer entfernt ihre Produktionsstätte in Wörgl hat, den Rücken kehren, dann fügt sich Marktwirtschaft mit Unverständnis zusammen. Die innere Loyalität zur Tirol Milch, die seit mehr als einem Jahrzehnt zur oberösterreichischen Berglandmilch gehört, existiert so nicht mehr. Dafür ist Schärding zu weit entfernt, den Bauern das Hemd näher als der Rock. Jahr für Jahr wurde die Entfremdung größer. Die Wipptaler Landwirte sind vorausgegangen, haben die Nähe zum Milchhof Sterzing und die dort höheren Erzeugerpreise für ihre Milchproduktion ausgenützt. Damit konnte die Landwirtschaft in diesem Tal stabilisiert und abgesichert werden. War das solidarisch? Im Sinne der neu gegründeten Wipptaler Milchgenossenschaft sehr wohl, weil den Bauern in der Region Perspektiven geboten wurden. Für ganz Tirol betrachtet hingegen sicher nicht.
Es ist müßig, darüber zu diskutieren, ob die Einbringung der Tirol Milch in die Berglandmilch nicht hätte verhindert werden können. Damals war es jedoch die einzige finanzielle Überlebenschance. Alles andere sind Mythen. Die Folgen lassen sich trotzdem nicht wegdiskutieren, die Tiroler Landwirtschaft hat mehr oder weniger den Einfluss auf einen der wichtigsten agrarischen Player im Land verloren. Das tut weh, wie auch der „Abfluss“ von 6,9 Millionen Liter Milch nach Berchtesgaden.
Doch das ist eben die neue Realität in der Landwirtschaft. Wie auch der aufkeimende Bio-Kannibalismus. Immer größer, immer mehr, immer preisgünstiger.

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