TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Zweier entscheiden über Karrieren“, von Florian Madl

Ausgabe vom 13. Dezember 2018

Innsbruck (OTS) Gestern beschloss das Parlament die Rückkehr zu Noten ab der zweiten Volksschulklasse. Während Befürworter das Ende der „Kuschelpädagogik“ in Form von verbaler Beurteilung begrüßen, beklagt die Gegenseite einen Rückschritt.

Knapp 70 Prozent der AHS-Schüler im Innsbrucker Raum hatten in ihrem letzten Volksschuljahr ein Zeugnis voller „Sehr gut“. Das legt die Vermutung nahe, dass ein Notenschlüssel die Frage nach der Reife hinlänglich beantwortet – aber trifft das auch wirklich zu? Und schafft man auf diesem Weg nicht eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, die erst wieder einer individuellen Bewertung der Lehrperson entspringt? Denn wo mancherorts ein Einser vergeben wird, würde anderswo ein Dreier herausschauen.
Zwangsläufig erhöhen Eltern den Druck auf Pädagogen, die unmittelbar die Schulkarriere ihrer Kinder mitbestimmen. Bereits ein Zweier kann die Aufnahme in die Wunschschule verbauen, dem Vorwurf will sich keiner aussetzen.
Es braucht Vergleichbarkeit, keine Frage. „Leistungszahlen“, ein Punktesys­tem für die Volksschul-Noten in allen Gegenständen, sollten die Aufnahme in Tiroler Gymnasien nachvollziehbar erscheinen lassen. Selbst das Jahreszeugnis der dritten Klasse trägt in abgeschwächter Gewichtung zur Bewertung bei, aber zielführend scheint auch dieses System nicht. Und manche Schulen ziehen neben besagter AHS-Reife auch Kriterien wie Entfernung zwischen Wohnort und Schule hinzu – was zur Folge hat, dass Kinder bei den Großeltern gemeldet werden.
Eine sachlich ausformulierte Bewertung abseits des Notensystems und ohne Interpretation scheint dem Ziel dienlich, möglicherweise auch eine Potenzialanalyse, um Kompetenzbereiche auszuloten. Das Problem: Solche Maßnahmen erfordern Standardisierung, was sich im Bildungsbereich schon beim Thema Zentralmatura als Zankapfel erwies. Und dem Wunsch nach Individualisierung wird keineswegs durch schablonenhafte Vorgänge Rechnung getragen.
Das bayerische Schulmodell bietet Ansätze, wobei Fortschrittsberichte den Lernprozess der dritten und vierten Klasse erheben sollen. Die mitunter geforderte Aufnahmeprüfung eignet sich indes nicht zur Selektion, diese Drucksituation ist Kindern unzumutbar.
Zuletzt tagte eine „Nahtstellenrunde“ mit Vertretern von Volksschule und AHS im Inns­brucker Raum, die stärkere Zusammenarbeit anpeilt. Zwischen Jänner und März soll nun jede AHS mit drei Volksschulen in Kontakt treten, um Erwartungen zu definieren. Ein löblicher Ansatz und doch nur der erste Schritt, um Chancengleichheit zu erhöhen und Druck von den Volksschullehrern zu nehmen.

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