Verfassungsausschuss vertagt Beratungen über Nicht-Valorisierung der Parteienförderung

FPÖ-Antrag auf Ministeranklage gegen Gesundheitsminister Anschober abgelehnt

Wien (PK) Ob die Parteienförderung heuer an die Inflation angepasst wird oder nicht, ist weiter offen. Bundeskanzler Sebastian Kurz hat zwar bereits im Jänner eine Aussetzung der Valorisierung in Aussicht gestellt, im heutigen Verfassungsausschuss des Nationalrats konnte dazu aber keine Einigung erzielt werden. Vielmehr wurden die Beratungen über einen – noch inhaltslosen – Gesetzesantrag der Koalitionsparteien samt einem von den NEOS eingebrachten Abänderungsantrag vertagt. Die Grünen seien für eine weitergehende Lösung inklusive einer Reduzierung der Wahlkampfkostenobergrenze und hätten die Hoffnung nicht aufgegeben, dass man zu einem Konsens komme, sagte dazu Verfassungssprecherin Agnes Sirkka Prammer. Ihrer Meinung nach ist auch nichts verloren, „wenn wir uns noch Zeit nehmen“, man könne die Nicht-Valorisierung der Förderung auch rückwirkend – nach der Überweisung der ersten Tranche im März – beschließen.

Auch ein Antrag der NEOS zur Senkung der Wahlkampfkostenobergrenze und weitere Oppositionsanträge, etwa zum Informationsfreiheitsgesetz, wurden von den Koalitionsparteien vertagt. Auf breite Ablehnung im Ausschuss stieß die Forderung der FPÖ, Gesundheitsminister Rudolf Anschober wegen schuldhafter Rechtsverletzungen beim Verfassungsgerichtshof anzuklagen und damit seine Absetzung zu erwirken.

Parteienförderung: NEOS für ersatzlose Streichung der Valorisierung, FPÖ für Aussetzung im heurigen Jahr

Basis für die Diskussion über das Parteien-Förderungsgesetz bildete ein Antrag der Koalitionsparteien (1259/A), zu dem die NEOS heute einen Abänderungsantrag vorlegten. NEOS-Verfassungssprecher Nikolaus Scherak und seine FraktionskollegInnen fordern, die jährliche Valorisierung, die in dieser Form erst 2019 eingeführt wurde, ersatzlos zu streichen. Das wäre eine sinnvolle Maßnahme, „es wäre schön, wenn wir das schaffen“, sagte Scherak. In den Erläuterungen zum Antrag wird außerdem darauf hingewiesen, dass Österreich die höchste Parteienförderung in Europa habe.

Ein Anliegen ist den NEOS außerdem eine Senkung der Wahlkampfkostenobergrenze auf 1 € pro Wahlberechtigtem, und zwar nicht nur bei bundesweiten Wahlen, sondern auch bei Landtags- und Gemeinderatswahlen (181/A). In diesen Deckel sollen auch Ausgaben von parteinahen Organisationen und Personenkomitees eingerechnet werden. Zudem will Scherak die Freigrenze für einzelne KandidatInnen von 15.000 € auf 10.000 € herabsetzen.

Für ein Aussetzen der Valorisierung im heurigen Jahr plädierte die FPÖ. Das wäre angesichts der aktuellen Krise ein wichtiges Signal an die ÖsterreicherInnen, sagte Michael Schnedlitz und rief die Koalitionsparteien dazu auf, „über ihren Schatten zu springen“. Die FPÖ sei jedoch nicht der Meinung, dass Parteien ausschließlich von Spendern finanziert werden sollten, bekräftigte er.

Seitens der Grünen wies Agnes Sirkka Prammer (Grüne) darauf hin, dass es noch nicht gelungen sei, zu einer Lösung zu kommen. Ihre Fraktion habe die Hoffnung darauf aber noch nicht aufgegeben und wolle den Dialog fortsetzen, erklärte sie. Auch ihrer Meinung nach wäre es wichtig, ein Zeichen zu setzen, wobei sie sich insbesondere für eine Senkung der Wahlkampfkostenobergrenze aussprach. Es sei auch nichts verloren, „wenn wir uns noch Zeit nehmen“, sagte Prammer, man könne die Aussetzung der Valorisierung auch rückwirkend – nach der Auszahlung der ersten Tranche im März – beschließen.

Sowohl der Antrag der Koalitionsparteien als auch jener der NEOS wurden schließlich mit den Stimmen der Koalitionsparteien vertagt.

Abschaffung des Amtsgeheimnisses lässt weiter auf sich warten

Einmal mehr Thema im Ausschuss war auch die Abschaffung des Amtsgeheimnisses, über die bereits seit Jahren verhandelt wird. Dazu lagen Anträge von Seiten der SPÖ (60/A, 61/A) und der NEOS (453/A) vor, die darauf abzielen, die Amtsverschwiegenheit durch eine Informationspflicht öffentlicher Stellen gegenüber BürgerInnen zu ersetzen.

Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler versicherte den Abgeordneten, dass über die auch im Regierungsübereinkommen verankerte Abschaffung des Amtsgeheimnisses weiter intensiv verhandelt werde. „Ich bin weiter ungeduldig und bleibe dran“, bekräftigte sie, das Thema sei ganz oben auf der Agenda. Es hätten auch schon mehrere Verhandlungsrunden stattgefunden.

Ein Datum für die Vorlage eines Begutachtungsentwurfs wollte Edtstadler aber nicht nennen. Sie werde nicht mehr „in diese Falle tappen“, sagte sie. Wichtig ist es ihr jedenfalls, alle – auch Länder, Städte und Gemeinden – „an Bord zu holen“. Zudem müsse man darauf achten, dass die Verwaltung funktionsfähig bleibe und der Datenschutz gewahrt werde. Es dürfe nicht passieren, dass die Verwaltung „vor lauter Auskunft nicht mehr zum Arbeiten kommt“, so Edtstadler. An die Einrichtung eines Informationsfreiheitsbeauftragten ist ihr zufolge nicht gedacht – man werde an den im Regierungsübereinkommen verankerten Eckpunkten festhalten.

Auch Agnes Sirkka Prammer (Grüne) hob die Notwendigkeit hervor, „alle so gut wie möglich mitzunehmen“. Erklärtes gemeinsames Ziel sei es, Informationsfreiheit im weitestmöglichen Umfang zu gewährleisten. Wenn man für eine solche „Jahrhundertlösung“ zwei, drei Monate länger brauche, solle das sein, unterstrich sie.

Zweifel an einer Einigung äußerte hingegen SPÖ-Abgeordneter Thomas Drozda. Auch in seiner Ministerzeit sei bereits ein fortgeschrittener Entwurf auf dem Tisch gelegen, ohne dass letztendlich ein Beschluss zustande gekommen sei, erinnerte er. Sein Fraktionskollege Christian Drobits drängte jedenfalls auf eine rasche Lösung und konkrete Antworten: Die Amtsverschwiegenheit sei mittlerweile sehr antiquiert und Österreich zum Schlusslicht in der EU geworden. Es wäre schön, wenn die Dinge langsam in Bewegung kämen, sagte auch Ausschussvorsitzender Jörg Leichtfried.

Staatsnahe Unternehmen: NEOS fordern mehr Prüfbefugnisse für den Rechnungshof

Die drei Anträge zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses wurden schließlich ebenso vertagt wie die Beratungen über die Forderung der NEOS, die Prüfbefugnisse des Rechnungshofs auszuweiten (102/A). Konkret wollen es Douglas Hoyos-Trauttmansdorff und seine FraktionskollegInnen dem Rechnungshof ermöglichen, Unternehmen bereits ab einer 25%-igen Beteiligung der öffentlichen Hand zu prüfen. Derzeit können Prüfungen bei Beteiligungen unter 50% nur dann eingeleitet werden, wenn das Unternehmen durch den Staat beherrscht wird. Das sorge für Rechtsunsicherheit und verhindere notwendige Prüfungen, macht Hoyos-Trauttmansdorff in den Erläuterungen zum Antrag geltend.

Eine grundsätzliche Unterstützung des Anliegens signalisierte SPÖ-Abgeordneter Christian Drobits. Es sei wichtig, dass der Rechnungshof hinsehen könne, wenn es um Korruption und Postenschacher gehe, meinte er. Eine Umsetzung des Antrags würde mehr Transparenz bringen.

ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl gab hingegen zu bedenken, dass es im Antrag nicht nur um Unternehmen gehe, an denen der Bund beteiligt sei, sondern auch um Unternehmen, an denen Länder und Gemeinden beteiligt sind. Es brauche daher längere Gespräche.

FPÖ will Gesundheitsminister Anschober beim Verfassungsgerichtshof anklagen

Vom Verfassungsausschuss mit den Stimmen aller anderen Fraktionen abgelehnt wurde ein Antrag der FPÖ (1268/A), der darauf abzielte, Gesundheitsminister Rudolf Anschober wegen schuldhafter Rechtsverletzungen beim Verfassungsgerichtshof anzuklagen. Die FPÖ wirft Anschober vor, mit den anhaltenden Ausgangsbeschränkungen die Bestimmungen des COVID-19-Maßnahmengesetzes zu unterlaufen und dadurch die Freiheit der ÖsterreicherInnen in unzulässiger Weise einzuschränken. Da keine gesundheitliche Notsituation vorliege, seien die Ausgangsbeschränkungen jedenfalls unverhältnismäßig und verfassungswidrig, bekräftigte Susanne Fürst heute. Auch an der Regierung insgesamt lässt die FPÖ im Antrag kein gutes Haar.

Seitens der Grünen warf Agnes Sirkka Prammer der FPÖ vor, den Antrag nicht mit juristischen Argumenten, sondern politisch zu begründen. Zudem machte sie geltend, dass der Kritik des Verfassungsgerichtshofs an mehreren früheren Verordnungen mittlerweile Rechnung getragen wurde. Diese seien nun umfassend begründet und der beanstandete Dokumentationsmangel somit behoben. Laut Prammer wurden von 143 Verordnungen des Gesundheitsministeriums 95 bekämpft; von den 60 bereits entschiedenen hat der VfGH acht aufgehoben, vorwiegend wegen des Fehlens von Begründungen.

Nicht nachvollziehen kann auch ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl die Erläuterungen zum FPÖ-Antrag. Die Ministeranklage sei ein rechtliches und kein politisches Instrument, in der Begründung seien aber keine rechtlichen Argumente zu finden. Zudem wies er auf technische Fehler im Antrag hin. In diesem Sinn hätte dieser ohnehin keine Erfolgsaussicht, ist er überzeugt.

Gesundheitsminister Anschober „herauszupicken“ und zu sagen, er sei „der Böse im Spiel“, hält auch NEOS-Abgeordneter Helmut Brandstätter für nicht angebracht.

Corona-Demonstrationen: Opposition hebt Bedeutung der Versammlungsfreiheit hervor

Kritik übt die FPÖ auch an einer Richtlinie des Innenministeriums für Corona-Demonstrationen. Abgeordnete Susanne Fürst warnt davor, das Demonstrationsrecht willkürlich einzuschränken und weist in einem Entschließungsantrag (1211/A(E)) darauf hin, dass das österreichische Staatsgrundgesetz und die Europäische Menschenrechtskonvention einer Einschränkung der Versammlungsfreiheit enge Grenzen setzen. In diesem Sinn fordert sie eine angemessene Rechtsgüterabwägung. Fürst sieht zudem keinen Anlass, TeilnehmerInnen an Corona-Demonstrationen vorab beabsichtigten Gesetzesbruch zu unterstellen und sie in den sozialen Netzwerken zu überwachen.

Es gebe sehr viele Opfer der Corona-Politik, bekräftigte Fürst in der Debatte. So stünden viele kleine Unternehmen vor dem Ruin, viele Menschen seien arbeitslos, viele machten sich Sorgen, wie es mit den Kindern weitergehe. Demonstrationen seien nicht nur ein zentrales politisches Grundrecht, die Menschen bräuchten auch ein Ventil, um diese Sorgen und ihre Kritik öffentlich zu äußern. Vor diesem Hintergrund hält sie es für äußerst problematisch, Demonstrationen von Vornherein zu untersagen. Vielmehr sollten die Sicherheitsbehörden den Fokus darauf legen, dass Demonstrationen friedlich stattfinden und Personen, die Verfassungsbruch begehen, „herausgefischt werden“. Besondere Kritik übte Fürst in diesem Zusammenhang an Innenminister Karl Nehammer: Dieser habe die Behörden schon im Vorfeld aufgefordert, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um Demonstrationen zu unterbinden, und damit die Entscheidung der Behörden beeinflusst.

Auf die Bedeutung der Versammlungsfreiheit wiesen auch Selma Yildirim (SPÖ), Nikolaus Scherak (NEOS) und Thomas Drozda (SPÖ) hin. Es sei wichtig, dass Demonstrationen gesetzeskonform ablaufen und Auflagen von DemonstrantInnen eingehalten werden, sagte Yildirim, Demonstrationen von Vornherein pauschal zu verhindern, sei aber eine bedenkliche Entwicklung. Vor allem die Untersagungen rund um das letzte Wochenende im Jänner sind ihrer Meinung nach wohl zu exzessiv gewesen. Drozda wertete die weitgehende Verhinderung von Demonstrationen zudem als „unklug“ und verwies in diesem Zusammenhang auf die Gelbwesten-Proteste in Frankreich.

NEOS-Verfassungssprecher Scherak hielt fest, dass in einer Situation, wo – aus nachvollziehbaren Gründen – Grundrechte in einem noch nie dagewesenem Ausmaß eingeschränkt würden, die Versammlungsfreiheit ein besonderes Gewicht habe. Auch wenn man die Inhalte der Proteste nicht teile und er auch die einzelnen Behördenentscheidungen nicht beurteilen könne, sei es wichtig, mit Bedacht und Sensibilität vorzugehen. Pauschalabsagen von Demonstrationen seien jedenfalls grundfalsch, bekräftigte Scherak. Es müsse möglich sein, Regierungsentscheidungen zu kritisieren, und Menschen, die die COVID-Maßnahmen nicht mittragen, müssten sich äußern können.

ÖVP sieht Antrag als überflüssig an

Seitens der ÖVP wertete Christian Stocker den Antrag als überflüssig. Es brauche keine Aufforderung an den Minister, Gesetze einzuhalten, das sei wohl selbstverständlich, meinte er. Bei der Untersagung der Demonstrationen sei es außerdem nicht darum gegangen, Kritik zu unterbinden, vielmehr habe das Verhalten der TeilnehmerInnen bei früheren Demonstrationen – Weigerung, eine Maske zu tragen und Abstände einzuhalten – zu dieser Entscheidung geführt. Die Demonstrationen zu untersagen, gehe auf eine Empfehlung der Wiener Gesundheitsbehörden zurück, ergänzte Wolfgang Gerstl (ÖVP). Zudem verwies er auf eine neue Studie, wonach die Proteste in Berlin vergangenen November zu einer starken Verbreitung des Coronavirus beigetragen hätten.

Ähnlich argumentierte Agnes Sirkka Prammer (Grüne), wobei sich die Abgeordnete zuversichtlich zeigte, dass es inzwischen „auf beiden Seiten“ zu einer Sensibilisierung in dieser Frage gekommen sei. Versammlungsfreiheit sei eines der wichtigsten Grundrechte, Proteste seien legitim, bekräftigte sie. Man müsse aber auch sicherstellen, dass von Demonstrationen keine Gesundheitsgefahr ausgehe. Was nicht gehe, sei, eine Maßnahme nicht einzuhalten, weil man sie für falsch halte, man könne aber natürlich Kritik daran äußern.

Dass der Antrag nicht abgelehnt, sondern vertagt wurde, begründete Stocker damit, dass man im Regierungsprogramm vereinbart habe, eine Verbesserung des Rechtsschutzes im Falle der Untersagung einer Demonstration zu prüfen. Darüber könne man dann gemeinsam beraten.

Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler wandte sich dagegen, Grundrechte gegeneinander auszuspielen. Die Behörde habe jede angekündigte Demonstration einzeln geprüft, betonte sie. Untersagungen seien nicht erfolgt, weil man Kritik nicht hören wolle, sondern weil absehbar gewesen sei, dass die Maskenpflicht und das Abstandsgebot erneut nicht eingehalten werden und damit eine Gesundheitsgefahr drohte. Jeder habe das Recht, Kritik zu äußern, man dürfe COVID-19-Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie aber nicht konterkarieren, so die Ministerin. Edtstadler wies zudem darauf hin, dass man gegen die Untersagung einer Demonstration ein Rechtsmittel ergreifen könne. (Schluss Verfassungsausschuss) gs


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