ORF: Chance für mehr Unabhängigkeit

Redakteursvertreter fordern Allianz mit dem Publikum, nicht mit der Politik

Wien (OTS) Der ORF-Redakteursausschuss, das sind die RedakteurssprecherInnen aus allen Bereichen (Radio, TV, Online, Teletext und Landesstudios) hat in seiner Frühjahrstagung einstimmig folgende Resolution beschlossen:

Der ORF hat in den vergangenen Tagen und Wochen bewiesen, was ein starker und unabhängiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk leisten kann und wie wichtig das Unternehmen für die Information der Österreicherinnen und Österreicher ist: Zahllose Sondersendungen in Radio, TV und die Teletext- und Online-Berichterstattung mit Rekordquoten haben gezeigt, wie sehr uns das Publikum vertraut und wie essentiell der ORF für die Demokratie in diesem Land ist.

Die Österreicherinnen und Österreicher wünschen sich einen unabhängigen ORF, der aktuell, ausführlich, kompetent, kritisch und äquidistant zu allen Parteien das Land umfassend informiert.

Diese Wünsche wollen die ORF-Journalistinnen und -Journalisten jeden Tag gerne erfüllen – wir wollen kreativ, unabhängig und mit hohen Standards auf allen Medienplattformen unserer Informationspflicht nachkommen.

Viele Politiker hingegen wollen vor allem ihren Einfluss auf den ORF ausweiten – mit inhaltlichen und personellen Eingriffen. Bedauerlicherweise haben erfahrungsgemäß immer nur Oppositions-Parteien Interesse, die Unabhängigkeit des ORF zu stärken. Sobald sie aber Regierungsverantwortung tragen, ist ihnen die Einflussmöglichkeit im größten Medienunternehmen des Landes durchaus recht.

Vor kurzem noch war der ORF das erklärte Angriffsziel der FPÖ: Das „Ibiza-Video“ hat ein erschreckendes Medien-Verständnis des damaligen Partei-Chefs offenbart. Die Beschimpfung von Journalisten, der Verkauf von ORF-Sendern – an wen auch immer – und die geplante Abschaffung der ORF-Gebühr zeigen deutlich, wie sehr der ORF unter Kuratel der Parteipolitik gestellt werden sollte.

Klar ist, mit der Umstellung auf Budgetfinanzierung und auf das von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache favorisierte „dänische Modell“ würde den ORF zerschlagen; Radio- und Fernsehsender müssten eingespart, abgeschaltet oder verkauft werden. Zum Nachteil der Österreicherinnen und Österreicher, die dann deutlich weniger Programm bekommen hätten. Und einen ORF, der genau dieser Regierungsfunk geworden wäre, gegen den die FPÖ zwar immer öffentlich polemisiert hat, den sie aber offensichtlich gerne für sich selbst instrumentalisieren wollte. Der Versuch von Parteien, Medien – ob öffentlich-rechtlich oder privat – unter ihre Kontrolle zu bekommen, schadet dem Land und seinen BürgerInnen.

Das von der ÖVP-FPÖ-Regierung geplante neue ORF-Gesetz wurde durch das vorzeitige Ende der Regierung verschoben. Die Redakteursvertreterinnen und Redakteursvertreter haben an die nächste Regierung daher eine Reihe von Vorschlägen, wie ein neues ORF-Gesetz dem Unternehmen mehr politische Unabhängigkeit geben könnte. Damit im Sinne des Publikums der ORF weiterhin das Leitmedium Österreichs bleiben kann:

1.) Eine partei-unabhängige Finanzierung des ORF muss auch in Zukunft gesichert sein. Zeitgemäße Beitragsmodelle, die den Entfall der Gebührenbefreiung refundieren und die Schließung der sogenannten „Streaming-Lücke“ für die Online-Nutzung von ORF-Programmen müssen ernsthaft diskutiert und evaluiert werden.

2.) Der ORF muss zukunfts-fit aufgestellt werden: Die gesetzliche Regelung, die es verbietet, Inhalte länger als sieben Tage dem Publikum anzubieten, muss abgeschafft werden. Dem ORF muss es auch erlaubt sein, das junge Publikum mit Inhalten zu erreichen, die für Online produziert werden. Nur wenn wir neue technische Möglichkeiten nutzen können, bleibt der ORF als Medium auch für Jugendliche interessant und relevant.

3.) Die Landesstudios sind in den vergangenen Jahren durch mehrere Sparprogramme schwer unter Druck geraten. Dabei ist es auch die regionale Berichterstattung aus den Bundesländern, die das ORF-Programm für viele Österreicherinnen und Österreicher attraktiv und unverwechselbar macht. Daher ist wieder für entsprechende Ausstattung in den Redaktionen zu sorgen.

4.) Wir fordern das Ende der Mitsprachemöglichkeit der Politik bei Postenbesetzungen, z.B. der Landeshauptleute bei der Besetzung von LandesdirektorInnen. Statt dessen sollen die Mitbestimmungsrechte der Redaktionen ausgebaut werden.

5.) Wir fordern einen Stiftungsrat, der das Unternehmen im Sinne des Publikums kontrolliert, und nicht die Interessen der politischen Parteien vertritt. Also eine Auflösung der parteipolitischen „Freundeskreise“ im Stiftungsrat. Den Vorsitz muss eine allgemein anerkannte Person führen, die keinerlei politische Schlagseite, dafür aber über ein hohes Maß an Expertise in Medienfragen hat.

6.) Der Stiftungsrat soll sich vor allem aus anerkannten Medien- und Wirtschafts-ExpertInnen zusammensetzen – nach einem transparenten Bestellungsvorgang. Nicht die partei-politische Zuverlässigkeit sollte das wichtigste Kriterium für die Bestellung sein, sondern das echte Interesse und das notwendige Wissen um die Weiterentwicklung eines wichtigen Medienunternehmens wie der ORF eines ist. Internationale Experten sollten zumindest ein Drittel der Stiftungsräte ausmachen. So könnten etwa fachkundige Vertreter der Schweizer SRG oder von deutschen öffentlich-rechtlichen Sendern in den ORF-Stiftungsrat einziehen und umgekehrt, ORF-Manager grenzüberschreitend in den Aufsichtsgremien der Sender in den Nachbarländern vertreten sein. Das fördert die internationale Ausrichtung, Kooperation und die Unabhängigkeit von der Parteipolitik. Neben dem Betriebsrat als Belegschaftsvertretung sollte als Vertretung der ORF-JournalistInnen auch der Redakteursrat im Stiftungsrat repräsentiert sein – das wäre ebenfalls ein Schritt in Richtung mehr Unabhängigkeit.

7.) An die ORF-Geschäftsführung appellieren wir, die personellen und finanziellen Ressourcen zu schaffen, die es für Qualitätsjournalismus braucht. Seit vielen Jahren werden die journalistischen Arbeitsplätze reduziert. Wir müssen in die Qualität unseres Programmes investieren und nicht in Formate, die ganz offensichtlich auf „Anregung“ außerhalb des ORF zustande gekommen sind.

8.) Wir fordern untadelige JournalistInnen und Führungskräfte in Managementfunktionen und nicht Personalbesetzungen, die offenbar vor allem mit Wünschen aus Parteizentralen kompatibel sind. Posten-Besetzungen mit der besten Frau oder dem besten Mann für eine Funktion – und nicht in Absprache mit den politischen Kreisen, wer gerade genehm ist.

Wir ORF-Journalistinnen und -Journalisten fühlen uns ausschließlich dem Publikum verpflichtet. Die Österreicherinnen und Österreicher stehen im Mittelpunkt unserer Arbeit. Daher fordern wir eine Allianz mit dem Publikum und nicht mit den Parteien. Denn der ORF gehört dem Publikum und darf nicht den kurzsichtigen Macht-Interessen der Parteipolitik geopfert werden.

Rückfragen & Kontakt:

Dieter Bornemann, M.A.
Vorsitzender des Redakteursrates
Tel.: 01/87878/12 457

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Quelle

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