TIROLER TAGESZEITUNG: „Der verlorene Krieg gegen den Terror“, von Christian Jentsch

Ausgabe vom Samstag, 28. August 2021

Innsbruck (OTS) Auch wenn das Projekt Demokratie in Afghanistan kolossal gescheitert ist, so sei trotz der Machtergreifung der radikalislamischen Taliban die Terrorgefahr vom Hindukusch gebannt. Wurde uns versichert. Die Realität ist eine andere.

Im Blut und Staub Afghanistans trägt sich auch der Westen zu Grabe. Die martialischen Kampfansagen nach den Anschlägen von 9/11 – der ausgerufene „Krieg gegen Terror“ –, die moralisch hochstilisierte Mission der USA und ihrer Verbündeten am Hindukusch klingen heute wie ein fernes Echo, wie zynische Worthülsen verloren in der Hoffnungslosigkeit der Menschen am Kabuler Flughafen. Nach 20 Jahren Krieg in Afghanistan ist nichts geblieben.
„Wir werden euch jagen und euch dafür bezahlen lassen“, erklärte US-Präsident Joe Biden nach dem verheerenden Doppelanschlag auf den Kabuler Flughafen vom Donnerstag, bei dem über 70 Menschen starben – darunter auch 13 US-Soldaten – in Richtung des afghanischen Ablegers der Terrormiliz IS, der sich zum blutigen Terrorakt bekannte. Martialische Worte, welche die bittere Niederlage der USA nicht überdecken können. Der Terror ist zurück, nicht nur jener der Taliban. Auch der IS, ein Monster, das in den Trümmern des ebenso gescheiterten Krieges der USA im Irak geboren wurde, ist von der Kette gelassen. Das Kalifat des IS im Irak und Syrien ist zwar Geschichte, seine Ableger wie etwa in Afghanistan aber offenbar noch lange nicht.
Die USA hätten nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ihre Ziele im Anti-Terror-Kampf „erfüllt“, verteidigte US-Präsident Biden den Abzug aller US-Soldaten aus Afghanistan bis Ende August. Doch die Realität ist eine andere. Mission nicht erfüllt, heißt das Fazit nach weit über 100.000 getöteten Zivilisten, Tausenden getöteten Soldaten und Kosten von über zwei Millionen Dollar. Zwar wurde die Al-Kaida aus Afghanistan vertrieben, doch der IS lebt. Und die radikal-islamischen Taliban haben die Supermacht USA bloßgestellt.

Mission nicht erfüllt gilt aber nicht nur für die USA, sondern auch für die Europäer, die es sich in ihrer Bedeutungslosigkeit gemütlich eingerichtet haben. Europa hat sich auf der internationalen Bühne zum Zwerg geschrumpft, das wurde auch bei den hektischen Evakuierungseinsätzen am Kabuler Flughafen klar. Wenn die USA ihre Soldaten abziehen, können die Europäer keinen Tag länger bleiben. Eine eigenständige Politik ist ohnehin nicht zu erwarten. Und wenn Merkel, Johnson und Co. den Einsatz in Afghanistan als Erfolg im Kampf gegen den Terror bezeichnen, lügen sie sich in die eigene Tasche.
Den so genannten Westen, der auf der Weltbühne Werte wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gemeinsam verteidigt, gibt es nicht – auch wenn Biden nach Trump von seiner Wiederauferstehung sprach. Es gibt Interessen, nicht mehr.

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