TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 22. September 2018 von Alois Vahrner „Sozialpartnerschaft in schwerer Krise“

Innsbruck (OTS) Die am Donnerstag gestartete Herbstlohnrunde wird zum endgültigen Elchtest für Österreichs taumelnde Sozialpartnerschaft. Die Umfall-Gefahr ist nach dem Forderungs-Paukenschlag der Gewerkschaften sehr hoch.

Das war wohl, je nach Betrachtungslage, zu erwarten bzw. zu befürchten: Die Gewerkschaften verlangen bei der traditionell richtungsweisenden Metaller-Lohnrunde ein Lohn- bzw. Gehaltsplus von satten 5 Prozent oder zumindest 100 Euro mehr. Und das ist noch bei Weitem nicht alles: Demnach sollen für die Arbeit nach der neunten Arbeitsstunde (auch für Mitarbeiter mit Gleitzeitvereinbarungen) an Wochentagen mindestens 75 Prozent Zuschlag gelten, für Arbeit nach der 10. Arbeitsstunde mindestens 100 Prozent. Dazu kommen eine bezahlte Pause von 15 Minuten und über die Entscheidung, ob Geld oder Freizeit konsumiert wird, quasi ein Recht auf eine Viertagewoche. Von einem „heißen Herbst“ war beim üblichen Sozialpartner-Wortgetöse schon oft die Rede, heuer scheint dieser programmiert: Angesichts der Forderungs­lawine ist eigentlich nicht absehbar, wie hier eine Einigung ohne Gesichtsverlust einer oder beider Seiten möglich sein soll. Viel wahrscheinlicher ist eine Eskalation bis hin zu einer Streikwelle wie einst beim Beschluss der Pensionsreform unter Kanzler Schüssel.
Es ist zweifellos die Retourkusche der Gewerkschaften für das von den Unternehmern geforderte und von Türkis-Blau im Eilverfahren durchgesetzte neue, heftig umkämpfte Arbeitszeitgesetz, das flexibleres und längeres Arbeiten deutlich erleichtert – ohne parlamentarische Begutachtung und vor allem auch ohne Einbeziehung der Sozialpartner, die an dieser Frage freilich jahrelang gescheitert waren. Diesbezüglich gab es vorher auch schon ein Beispiel in die andere Richtung, als die Politik (damals gegen die ÖVP) im Vorwahlkampf die Angleichung der Rechte von Arbeitern und Angestellten beschloss.
Österreichs einstiges Erfolgsmodell der großen (und immer kleiner gewordenen) Koalitionen von Rot und Schwarz, des politischen Proporzes und auch der Sozialpartnerschaft als mächtiger Nebenregierung scheint endgültig vorbei zu sein. Was früher zu einer relativ konfliktfreien Verteilung des meist gewachsenen Wohlstands diente, führte immer mehr zur Lähmung und zum Stillstand. Und die Sozialpartnerschaft wurde statt wichtiger Teil der Lösung ebenfalls zum Problem, die nicht einmal mehr ihre unmittelbarstren Aufgaben (etwa Arbeitsregeln und Löhne) zu lösen imstande scheint. Und da ist sie drauf und dran, bei der heurigen Herbstlohnrunde ihr „Meis­terstück“ abzuliefern. Die vielgelobte Sozialpartnerschaft alten Stils steckt zweifelsohne in ihrer schwersten, ja existenziellen Krise.

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