Tiroler Tageszeitung „Leitartikel“ vom 29.05.18 von Cornelia Ritzer „Gerechtigkeit mit vielen Fragezeichen“

Innsbruck (OTS) - ÖVP und FPÖ möchten mit der Reform der Mindestsicherung das Sozialsystem weniger attraktiv für Zuwanderer gestalten. Das System soll für Österreicher „gerechter“ werden. Obwohl es verfassungsrechtliche Unsicherheiten gibt.

Eine Woche ist es her, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) „eines der größten Reformprojekte in der Geschichte Österreichs“ ankündigte. Die Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger. Nun folgt der nächste Streich: Die schwarz-blaue Regierung stellte nach ihrer Klausur die Neugestaltung der Mindestsicherung vor. Das Vorhaben sei ein „Meilenstein in der Weiterentwicklung des österreichischen Sozialwesens“. So entschlossen steht es im Ministerratsvortrag, in dem – garniert mit Superlativen für die Eigen-PR – die Eckpunkte der geplanten Reform aufgelistet sind. Und wie bereits im Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ angekündigt, soll die Reform es schaffen, den „Anreiz zur ungehinderten Zuwanderung in das österreichische Sozialsystem neu“ zu regeln. Mit dieser ungeschönten Ansage bekennen sich ÖVP und FPÖ jedoch weniger zur „Weiterentwicklung des Sozialwesens“ als vielmehr zur Umsetzung ihrer strengen Slogans, mit denen sie ihre Wähler überzeugen konnten: Wer in Österreich Teil der Leistungsgesellschaft ist, muss bessergestellt werden. Und Leistungen für Asylwerber müssen an Auflagen geknüpft werden.
Eine „neue soziale Gerechtigkeit“ versprechen ÖVP und FPÖ dank des neuen Modells. Laut Berechnungen der Regierung sollen einer österreichischen Alleinerzieherin mit zwei Kindern über 200 Euro mehr im Monat bleiben. Das ist eine gute Nachricht. Für Ausländer gibt es dagegen Nachteile. Und wie so viele (angekündig­te) Reformen dieser Bundesregierung befindet sich auch diese Neugestaltung erst am Anfang. Offen ist, ob der geplante 300-Euro-Qualifizierungsbonus, der an einen Pflichtschulabschluss in Öster­reich oder an gute Deutsch-oder sehr gute Englischkenntnisse gekoppelt wird, einer EU-Richtlinie widerspricht. Und damit verfassungsrechtlich heikel ist.
Die geplante fixe Deckelung der Mindestsicherung bei 1500 Euro hat die Regierung ohnehin aufgeben müssen, nachdem der Verfassungsgerichtshof die nieder­öster­reichische Regelung deswegen aufgehoben hat. Das ist ein Glück für Mindestsicherungs-Bezieher und ihre Kinder. Die versprochenen Einschnitte für Haushalte mit mehreren Personen will man aber trotzdem schaffen, nämlich durch einen so genannten degressiv gestaffelten Bonus für jedes Kind. Doch auch in diesem Punkt gibt es aus juristischer Sicht Fragezeichen. Hier wird die Regierung mit konkreten Zahlen belegen müssen, warum in dieser Rechnung nicht jedes Kind gleich viel wert ist.

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