TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Das Rütteln am Lehrer-Sakrileg“, von Manfred Mitterwachauer

Ausgabe vom Mittwoch, 24. Juni 2020

Innsbruck (OTS) Dem Home- wird in der Post-Corona-Zeit das Sommer-Schooling folgen. Allen voran dem österreichischen Schulsystem wäre zu wünschen, dass endlich eine „neue Normalität“ Einzug hält. Alte Baustellen gehören neu gedacht.

Neun lange schulfreie Wochen – das wird sich im „Corona-Sommer 2020“ in vielen Kinderzimmern schlicht nicht spielen. Während der Bund zwei Ferienwochen zum Schluss abzwackt, damit die Deutsch-Kenntnisse benachteiligter Schülerinnen und Schüler aufgebessert werden, hat das Land den Ferienstart im Visier, um Eltern in Sachen Betreuung für vier Wochen unter die Arme zu greifen. Dieser politische Denkanstoß ist kriseninduziert. Er bietet aber die wohl einmalige Chance, endlich festgefahrene Verhaltensmuster und Strukturen im Schulbereich aufzubrechen.
Allzu oft und leicht wurde während der heißen Phase der Corona-Pandemie in Österreich über die „neue Normalität“ philosophiert. Was im Lockdown noch verlockend klang, entpuppte sich in der weit mühsameren Aufwachphase der Republik jedoch in vielen Lebensbereichen als pure Tragträumerei. Um nur den Verkehrsbereich zu nennen.
Seit Jahren stellt der sommerliche Ferienmarathon Erziehungsberechtigte vor ein veritables Dilemma. Das Ganze endet in der Regel mit einem nobelpreisverdächtigen Organisationsflickwerk aus eigenem Urlaubsanspruch, der altbekannten Opa-Oma-Schwiegereltern-Rallye sowie einer schier Homer’schen Odyssee zwischen einzelnen (privaten) Fremdbetreuungs­angeboten. Jetzt hat die Corona-Krise bei vielen frühzeitig die Urlaubskonten schmelzen lassen – auch das Home-Schooling hat viele Eltern in die eigenen vier Wände gezwungen. Der Ausbau der schulischen Ferienbetreuung soll nun die gröbsten Betreuungsprobleme lösen.
Während der Ansatz des Bundes aber inhaltlich lahmt – wieso soll es nur Defizite in Deutsch geben? –, krankt jener des Landes am Zeitmanagement. Die an sich begrüßenswerte Initiative kommt auf den letzten Drücker – und vielfach zu spät. Weil teils die Anmeldefristen für (kostenpflichtige) Angebote längst vorüber sind. Zudem ist auch organisatorisch noch vieles im Unklaren. Woher kommt das Personal? Die Lehrergewerkschaft mauert – wieder einmal. Unterstützung sieht anders aus. Weil mit der Sommerschule implizit auch am Lehrer-Privileg Sommerferien gerüttelt wird. Ein Sakrileg.
Ob Ferienlänge, Schulbeginnzeiten, Online-Unterricht – die Baustellen unseres Schulsystems sind altbekannt. Und doch durch Corona frischer denn je. Neu denken, müsste nun das Motto lauten. Solidarität ist gefragt. Und ministerielles Durchsetzungsvermögen.

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