TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Die erste kleine Koalitionskrise“, von Mario Zenhäusern

Ausgabe vom 6. April 2019

Innsbruck (OTS) Diesmal gibt es keine funktionierende Message Control und auch keine öffentlich zur Schau gestellte Einigkeit: Der schwammige Umgang der FPÖ mit den Identitären birgt Konfliktpotenzial für die Bundesregierung.

Mehr als 15 Monate lang haben Türkis und Blau Punkt um Punkt aus ihrem Regierungsprogramm ohne Streit abgespult. An die Stelle des rot-schwarzen Dauerstreits, der die Wählerinnen und Wähler je länger, je mehr anödete, trat eine lange nicht mehr gekannte Harmonie. Begleitet wurde dieser neue Stil von einer exzessiven Informationskontrolle: Geradezu generalstabsmäßig verteilten Kurz, Strache und Co. die Informationen an Öffentlichkeit und Medien. Dabei hatte (und hat!) die Bundesregierung mitunter mit heftigem Gegenwind zu kämpfen. Was SPÖ und ÖVP früher entzweite, schien die neue ÖVP und die FPÖ nun zusammenzuschweißen. Ob bei den Verschärfungen im Asyl- und Sozialbereich, den umstrittenen neuen Regeln für den Wirtschaftsstandort Österreich, der Krankenkassenreform oder den flexibleren Arbeitszeiten (Stichwort „12-Stunden-Tag“) – die Koalition blieb im Außenauftritt einträchtig und fiel auch bei heftiger Kritik nicht sofort um. Das Rauchervolksbegehren (hier blieb auf FPÖ-Druck wider besseres Wissen die alte, völlig zu Recht scharf kritisierte Raucherregelung bestehen) vermochte ebenso wenig, einen Keil zwischen die Partner zu treiben, wie manch­e Pannen und peinliche Ausrutscher vor allem auf FPÖ-Seite. Nicht einmal die unrühmliche BVT-Affäre, die im Übrigen noch nicht ausgestanden ist, schaffte Unfrieden. Wer darauf hoffte, dass sich die Regierungsspitze wie zu Zeiten der Große­n Koalition öffentliche Gefechte liefert, wurde bisher enttäuscht.
Jetzt freilich hängt der Haussegen schief. Der schwammige Umgang der Freiheitlichen mit den ultrarechten Identitären hat dem lang anhaltenden koalitionären Honeymoon ein jähes Ende bereitet. Erstmals seit seinem Amtsantritt hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (VP) seine mitunter auch kritisierte Zurückhaltung abgelegt und in Richtung der Identitären bisher ungewohnt deftige Worte („widerlich“) gefunden. Der öffentlich ausgetragen­e Zwist nach dem Ministerrat am Mittwoch ist zwar noch keine Koalitionskrise, aber Kurz hat klar aufgezeigt, dass er in Sachen Rechtsextremismus keinen Spaß versteht und von seinen Partnern eine unmissverständliche Abgrenzung fordert.
Der Bundeskanzler sitzt in dieser Frage definitiv am längeren Ast. Den Freiheitlichen bleibt nichts anderes übrig, als alle seine Forderungen zu erfüllen oder die Zusammenarbeit zu beenden. Und das kann sich derzeit am allerwenigsten die FPÖ leisten.

Rückfragen & Kontakt:

Tiroler Tageszeitung
0512 5354 5101
chefredaktion@tt.com

[ad_2]

Quelle

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER
INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at

(C) Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender.

Eigenes Pressefach für Ihre Pressemeldungen - Pressefach.eu

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen