TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Die Mühen der Erneuerung“, von Michael Sprenger

Ausgabe vom 22. August 2017

Innsbruck (OTS) - Bei der Hofburgwahl erlebten SPÖ und ÖVP ihr Desaster. Statt eine notwendige radikale Erneuerung einzuläuten, setzten Rot und Schwarz auf Personalisierung. Das mag für den Wahltag reichen. Langfristig ist das kein Programm.

Im Nachhinein wird man wohl sagen können: Der Wahlabend des 15. Oktober hat für die Zweite Republik eine Zäsur gebracht. Für diese Vorhersage ist der Wahlausgang nicht entscheidend. Denn was sich bereits im Vorjahr dramatisch bei der Bundespräsidentenwahl angekündigt hat, wird sich mit der Nationalratswahl fortschreiben:
ein Abgesang auf die große Koalition.
2016 scheiterten die Kandidaten von SPÖ und ÖVP bereits im ersten Wahlgang grandios. Der Absturz der beiden alten staatstragenden Parteien wurde aber von Rot und Schwarz nicht als Signal für eine radikale Parteierneuerung wahrgenommen. Stattdessen ging man nur in Deckung, putzte sich den Staub der einstürzenden Altbauten vom Anzug – und glaubte, mit personellen Änderungen an der Spitze das Auslangen zu finden.
Trügerisch für die SPÖ war dabei, dass der neue SPÖ-Vorsitzende und Kanzler Christian Kern anfangs eine Aufbruchsstimmung erzeugt hatte. Er stellte in seinen ersten Ansagen die richtigen Fragen. Die Antworten gab er nicht. Die Partei zerbröselte weiter. Mag sein, dass er trotz alledem für die SPÖ noch den ersten Platz retten kann, die Partei jedoch, das weiß er wohl, liegt längst am Boden. So oder so:
Läutet die SPÖ am 16. Oktober nicht einen Erneuerungsprozess ein, wird sie auf Dauer verschwinden.
Da hat es die in den Ländern noch gut verankerte ÖVP ein wenig leichter. Paradoxerweise kam der Partei dabei ihr Trägheitsmoment zugute. Denn eine selbstbewusste ÖVP hätte nach dem Hofburg-Desaster sofort eine grundlegende Reform angehen müssen. Es passierte nichts. Der Niedergang wurde verwaltet. Dies spielte letzten Endes Sebastian Kurz in die Hände. Er konnte die in Agonie liegende Partei noch einmal wachrütteln, setzte alles auf eine Karte und ließ sich eine Blankovollmacht ausstellen. Er zeigte Mut. Zumindest in allen Umfragen wird dieser bis dato belohnt.
Doch Kurz wird wissen, dass die Personalisierung zwar für den Wahlerfolg reichen kann, aber substanzlos bleibt, wenn die Partei inhaltlich nicht im 21. Jahrhundert ankommt. Auch ihm bleibt diese Arbeit ab dem 16. Oktober nicht erspart.
Personalisierung in der Politik mag im Wahlkampf helfen, programmatische Arbeit ersetzt sie nicht. Das müssten vor allem die Vertreter der beiden ehemals staatstragenden Parteien am besten wissen. Auch wenn das mühsamer ist als die schnelle Schlagzeile.

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