TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Nicht einmal zu schätzen, ist abschätzig“, von Karin Leitner

Ausgabe vom Mittwoch, 27. Mai 2020

Innsbruck (OTS) Als etwas für den Mistkübel hat der ÖVP-Finanzminister das Budget qualifiziert, das er vor der Corona-Krise erstellt hat. Er darf sich nicht wundern, dass die oppositionellen Parlamentarier dieses Altpapier nicht wollen.

Gesagtes pickt. Das müssen vor allem Politiker wissen. Mitte März hat ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel im Bundesrat befunden: „Ich habe die Budgetrede in den Mistkübel geschmissen.“ Ob der Corona-Krise und deren finanziellen Folgen für den Staat gelte nicht mehr, was vor der Pandemie veranschlagt worden ist. In der Tat. Auch wenn sie bei den meisten Unternehmern noch nicht angekommen ist – die zugesagte monetäre Unterstützung, auch die übrigen lockdownbedingten Kosten waren nicht eingepreist. Weil sie damals nicht eingepreist werden konnten. Dessentwegen hat ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel damals niemand kritisiert. Nun ist das anders. Blümel erwartet von den Parlamentariern viele Wochen später, etwas Überholtes gutzuheißen – und der Regierung einen Blankoscheck über 28 Milliarden Euro auszustellen. Mit dem Ja zu einer Budgetüberschreitungsermächtigung in dieser Höhe. Der Ressortchef darf sich nicht wundern, dass sich die Oppositionellen nicht mit „Altpapier“ zufriedengeben. Hier geht es ja nicht um Pipifax.
Niemand erwartet von ihm, dass er das Budget in allen Punkten bis zur Kommastelle aktualisiert; auch ein Finanzminister ist kein Hellseher. Eine Schätzung hätte er aber liefern können und sollen. Der EU-Kommission hat er sie Ende April übermittelt, den Abgeordneten enthält er sie vor.
Bei einer Pressekonferenz nach der anderen haben der Kanzler und seine Minister Hilfe angekündigt – eine Milliarde dort, ein paar Milliarden da. Um wie viel die Ausgaben dadurch steigen, ist zu errechnen, um wie viel die Steuereinnahmen sinken, ebenso. Den Volksvertretern in Sachen Staatshaushalt zu sagen, was Sache ist, ist kein Goodwill der Machthaber; Budgethoheit haben sie, detto die Pflicht, zu kontrollieren.
Die Debatte über das Budget-Defizit des Staates offenbart einmal mehr ein anderes Defizit – den Umgang von Regierenden mit Mandataren. Koalitionäre jedweder Couleur sehen diese seit jeher als Abnicker ihres Tuns. Die der Regierungsparteien sind das; so auch die jetzigen. Wissend, dass Makulatur ist, was sie am Donnerstag beschließen, machen sie es. Die Einwände von SPÖ, FPÖ und NEOS mögen ihnen lästig sein, sie sind aber legitim. Das Hohe Haus ist keine Quatschbude, wie ein vormaliger Finanzminister einst konstatierte. Es ist Korrektiv. Wären die Grünen noch in Opposition, würden sie das so werten. Sie hielten den Parlamentarismus einst hoch.

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